Einleitung: Persönlichkeit
Der Begriff "Persönlichkeit" bezieht sich auf die charakterliche Individualität des Menschen und seiner zahlreichen Persönlichkeitseigenschaften sowie deren Unterscheidung von anderen. Jede Persönlichkeit hat ihren eigenen Charakter,
der sich von anderen Menschen unterscheidet.
In Bezug auf bestimmte Persönlichkeitstypen gibt es die unterschiedlichsten (mehr oder weniger "anerkannten") Persönlichkeitstheorien. Zusätzlich nutzt jeder Mensch sogenannte
"Implizite Persönlichkeitstheorien".
Eine implizite Persönlichkeitstheorie (IPT) ist ein Schema, von dem Menschen bei der Alltags-Beurteilung anderer Menschen unbewusst ausgehen und die sich an beobachtbaren Merkmalen und Verhaltensweisen orientieren (z. B. Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Umgangsformen, Ausbildung, regionale Herkunft, Sternzeichen etc.). Von diesen Merkmalen werden Rückschlüsse auf entsprechende Persönlichkeitseigenschaften gezogen (z.B. ängstlich/mutig, introvertiert/extrovertiert, aggressiv/depressiv usw.). Die so erschlossenen Ergebnisse werden dann automatisch bewertet (sympathisch/unsympathisch, kompetent/inkompetent, vertrauenswürdig/nicht vertrauenswürdig usw).
Im Laufe seiner Sozialisation entwickelt jeder Mensch automatisch spezifische IPT (siehe "Social Cognition-Effekt"), an denen er sich orientiert und daran ausrichtet, obgleich IPT auf stereotype Urteilen basieren. Diese dienen als Orientierungshilfe für das Verhalten gegenüber anderen (insbesondere fremden) Menschen und haben im Sozialverhalten eine entlastende Funktion. Implizite Persönlichkeitstheorien beruhen auf Erfahrungen und daraus resultierenden Erwartungen. Sie sind folglich ein Ergebnis des Erfahrungslernens. Sie wirken in der Regel unbewusst, worin zugleich eine Gefahr liegt. Denn durch IPT wird die Wahrnehmung Anderer durch stillschweigenden Annahmen stark beeinflusst und es kommt zu Beurteilungsfehlern , falschen Vorurteilen und ggf. zum psychologisch relevanten Effekt der selbsterfüllenden Prophezeiung (Self-fulfilling-prophecy), der in der Pädagogik auch als "Rosenthal Effekt" bekannt ist.
Implizite Persönlichkeitstheorien nutzt im Prinzip jeder Mensch, um andere Menschen zu beurteilen und entsprechende Einschätzungen und Entscheidungen zu treffen. Die vermeintliche Fähigkeit, Urteile auf Basis von IPT zu treffen, wird auch als Menschenkenntnis bezeichnet und in der Alltags-Psychologie (sog. Küchen-Psychologie) als positive Kompetenz erachtet, obwohl Menschenkenntnis in der wissenschaftlichen Psychologie als Wahrnehmungsfehler erachtet wird.
Die 2 grundlegenden Menschen-Typen
Auf dieser Seite soll es weder um subjektive Menschenbild-Theorien, noch um eine Klassifizierung gehen, sondern lediglich um die zwei grundlegenden Menschentypen im Kontext zur Gesellschaft bzw. in ihrer psychologischen Abhängigkeit von der Gesellschaft, deren Teil jeder Mensch letztendlich ist, es sei denn, dass er sich davon abkoppelt, so wie dies bei Individualisten der Fall ist, welche die Gesellschaft inklusive gesellschaftlicher Normen und Menschenbildannahmen hinterfragen.
Im ganz Groben kann man diesbezüglich zwischen individuellen (eigenständig und quer-denkenden) Menschen und kollektivistisch orientierten (eher fremdbestimmt denkenden und handelnden) Persönlichkeiten unterscheiden, wobei die Ausprägungs-Range in den Extremen quasi zwischen (unangepasstem bedürfnislosem "Eremit" und dem Typus des (Gesellschafts- vollkonformem) "Maschinen-Menschen" liegt. Im Coaching wird gerne der historische Vergleich zwischen "Trommlern" und "Rudergaleeren-Sklaven" auf antiken Schiffen benutzt, um den Unterschied (auch für die grundsätzliche) Lebenseinstellung symbolisch darzustellen.
In eher mythisch oder religiös geprägten Bereichen unterscheidet man z.B. zwischen (selbst bestimmten und ihr Weltbild hinterfragenden) "Beseelten" bzw. (eher auf Natur, Gott und Kosmos vertrauenden) "Alten Seelen" und (mehr fremdbestimmten und auf den Zug der Masse aufspringenden) sogenannten "Seelenlosen", die im übertragenen Sinne auch mit "Zombies" verglichen werden, womit "ihrer Seele beraubte Wesen ohne eigenen Willen" gemeint sind, die aus Sicht der eher individuellen Persönlichkeiten wie "ferngesteuerte" "Roboter" handeln und auf natürliche logisch-denkende Menschen nicht selten "künstlich" wirken.
Der Begriff "Zombie" dient im Allgemeinen auch als Metapher für ein angepasstes Dahinvegetieren, für unterwürfigen und kritiklosen Gehorsam sowie für passiven Konsum und Desinteresse an Aufklärung und Hinterfragen. Auch in Bezug auf die enorme Zunahme und Ausbreitung gefährlicher Persönlichkeitsstörungen und bestimmter - durch Gehirnparasiten ausgelöste - psychische Störungen wird im übertragenen Sinne umgangssprachlich gerne von "Zombies" gesprochen, weil sich der Laie zumeist nicht erklären kann, warum einige Menschen, die auf manche manchmal gar nicht mehr wie "Menschen" wirken, die Realität nicht wahrnehmen und nicht wahrhaben wollen - und warum sie im Kollektiv manchmal geradewegs dümmlich-naiv und der Beschreibung nach wie "weltfremd", "realitätsfern" und "ferngesteuert" wirken.
Doch auch solche Menschen haben Motive - und manchmal (nicht selten) liegt dem ggf. auch eine Persönlichkeitsstörung zugrunde. Insbesondere haltschwache Persönlichkeiten, ängstliche Menschen, Menschen mit hohem Sicherheitsbedürfnis und Narzissten sind dafür anfällig, ihre eigene Persönlichkeit massiv an die Umwelt bzw. an das Kollektiv anzupassen, um entweder "Halt" und "Sicherheit" zu bekommen oder seine Energie aus echter oder vermeintlicher Anerkennung durch das Kollektiv bzw. durch Autoritäten zu erhaschen, um ihre innere Leere zu füllen.
Keith Campbell und Jean Twenge von der San Diego State University haben über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren anhand zahlloser Studien, Studentenbefragungen, Labortests und Experimente das Phänomen der Zunahme und Ausbreitung bestimmter Persönlichkeitsstörungen analysiert. Die furchterregenden Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten sie 2009 unter dem Titel "The Narcissim Epidemic", wobei sie ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung der viralen Zunahme Narzisstischer Persönlichkeitsstörungen setzten.
Unabhängig davon, kennt man bei kollektivistisch orientierten Persönlichkeiten positiv wie negativ handelnde Persönlichkeiten, was jeweils abhängig von den Zielen und Taten des jeweiligen Kollektivs ist. Als gefährlich gilt hier der Typus des a) Beflissenen und des b) Vernünftigen sowie des c) Mitläufers und d) Opportunisten, die teilweise miteinander verschmelzen. Je mehr Persönlichkeits-Anteile hier zusammenkommen, desto extremer wirken sich solche Persönlichkeiten auf Andere und die Gesellschaft aus.
Probleme im Leben / Zusammenleben bei Mischtypen
Probleme im Leben bzw. im Zusammenleben mit Anderen entstehen insbesondere bei Mischformen z.B. bei Menschen, die sich als Individualisten betrachten, sich aufgrund bestimmter Bedürfnisse sich aber in gesellschaftliche Abhängigkeiten begeben (z.B. aufgrund des eigenen Sicherheitsbedürfnisses). Oder zum Beispiel bei Individualisten, die sich unbewusst mit Kollektivisten umgeben oder einem typischen kollektivistisch orientierten Beruf nachgehen (z.B. Erzieher, Krankenpfleger, Polizist etc.). Hier sind Probleme durch kognitive Dissonanzen sowie innere wie äußere Konflikte geradewegs vorprogrammiert - schließlich wird man es kaum schaffen (bzw. mental ertragen), den ganzen Tag zu schauspielern.
Zudem ist es für Menschen viel zu anstrengend und unökonomisch, sich die ganze Zeit anzupassen und anderen Persönlichkeitstypen wie Normen unterzuordnen, die man aufgrund der eigenen Persönlichkeit, des Intellekts oder der Sensibilität hinterfragt. Hier prallen Erwartungshaltungen aufeinander, die nur schwer miteinander vereinbar sind, ohne mittel- wie langfristig einen psychischen Schaden zu nehmen.
Insbesondere bei der Berufsorientierung ist dies zu berücksichtigen. Ein Individualist der sich für einen ggf. weniger gut bezahlten Kreativberuf entscheidet, gleichzeitig aber die üblichen kollektivistisch orientierten Werte vertritt und diesen aufgrund seiner finanziellen Erwartungshaltung nacheifert wird ebenso unglücklich wie ein kollektivistisch orientierter gesellschaftlich angepasster in den üblichen gesellschaftlichen Klischees und Normen denkender Mensch, der sich im Umfeld von Individualisten z.B. als Spießer und Langweiler fühlt. Wer aufgrund bestimmter individueller Bedürfnisse und Ansprüche (z.B. im Hinblick auf Sensibilität, Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Hinterfragung. Tiefgründigkeit, Vertrauen etc.) mit gleicher Erwartungshaltung mit Kollektivisten interagiert, wird Frust ernten, insbesondere dann, wenn er sich vom Kollektiv abhängig macht - allein schon dadurch, dass ihm die Aufspaltung in 2 unterschiedliche Welten gar nicht bewusst ist, obgleich er oder sie im Leben erheblichen Stress erfährt, den er oder sie aber ganz anderen Ursächlichkeiten zuschreibt.
Hintergrundwissen Kollektivismus
Unter Kollektivismus wird ein System von Werten und Normen verstanden, in dem das Wohlergehen des Kollektivs die höchste Priorität einnimmt. Die Interessen des Individuums werden denen der im
Kollektiv organisierten sozialen Gruppe untergeordnet. Der Gegensatz dazu ist der Individualismus.
Manchmal handelt es sich bei Staats- und Herrschaftsformen lediglich um ein vermeintliches Kollektiv, wobei in Wahrheit lediglich eine elitäre Gruppe ein Schein-Kollektiv darstellt, das via Propaganda öffentlich proklamieren bzw. unterstellen lässt, dass es sich um "das Kollektiv" handele. Sofern die "Wir sind mehr und mächtiger"-Rhetorik-Strategie in der Geschichte nicht aufging, dann importierte man früher nicht selten ausländische Truppen zur Abschreckung und zur Sicherung der Macht. So ging es beim Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 - eines der bedeutenden Ereignisse zu Beginn der Französischen Revolution gegen die schweizer und deutschen Söldner, welche die Bastille bewachten.
Das wohl schrillste Beispiel für ein Pseudo-Kollektiv ist hier wohl die bekannte Maxime des Sonnenkönigs Ludwig XIV, der mit dem Slogan "L’État, c’est moi! – Der Staat, das bin ich!"
selbstherrlich proklamierte, dass allein er das Kollektiv sei, so wie auch die Killer-Clique des bekannten Insel-Schreckens-Regime nach dem Schiffbruch der niederländischen Batavia vor der
australischen Küste im Jahre 1629 sich als Kollektiv erachteten - und mit der Mehrheit der Schiffbrüchigen in geradewegs psychopathischer Manier machten, was sie wollten (Details siehe
Wissen: Massenpsychologie).
Kollektivistische Normensysteme verlangen Gemeinschaftsgefühl und Solidarität. Als politische Ideologien des Kollektivismus gelten insbesondere Kommunismus, Sozialismus und Nationalsozialismus. Wenn der Einsatz des Einzelnen für das Kollektiv auf Willensentscheidung gründet, spricht man von Altruismus. Diesen beansprucht auch der Kollektivismus für sich.
Die vier kollektivistischen Persönlichkeits-Subtypen werden nachfolgend vorgestellt und (für den theoretischen Hintergrund) durch die Erläuterung einige Beispiel-Effekte aus der Sozialpsychologie ergänzt. Um das Wesen kollektivistisch orientierter Persönlichkeiten zu verstehen, erfolgt nachfolgend ebenfalls eine kurze Erläuterung zum Thema Kollektivismus
"Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an; der unvernünftige besteht auf dem Versuch, die Welt sich anzupassen. Deshalb hängt aller Fortschritt von unvernünftigen Menschen ab"
(Zitat von George Bernard Shaw, irischer Schriftsteller (1856 - 1950)
Im Allgemeinen steht Vernunft für ein - durch Denken bestimmtes geistiges menschliches Vermögen zur Erkenntnis. Die Vernunft dient auch dazu, die körperlichen Triebe zu regulieren und so zu einem ausgewogenen, tugendhaften Leben zu kommen. Doch es handelt sich bei "Vernunft" nicht etwa nur um intrinsisch motiviertes Denken im Sinne des Motivs der Korrektheit: Vernunft bezieht sich auf das, was die Gesellschaft dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend jeweils für "richtig" bzw. "korrekt" und "vernünftig" hält. Insofern basiert die "Vernunft" des "Vernünftigen" nicht auf einer Welt-Erkenntnis oder einer echten eigenen Erkenntnis, sondern letztendlich auf Meinungen und Wahrheiten des jeweiligen Kollektivs, in dem der Vernünftige lebt und arbeitet und sich anpasst.
Wir halten die Vernunft für unser oberstes Erkenntnisvermögen. Schließlich kontrolliert Vernunft den Verstand, mit dem die Wahrnehmung strukturiert wird. Zudem erkennt "Vernunft" die Beschränkungen unserer Wahrnehmung und unseres Verstandes - oder "meint" zumindest, diese zu kennen - und kann ihm Grenzen setzen. Doch in der Realität halten wir über die Sozialisation und den sozialen Einfluss letztendlich immer das für "vernünftig", was gesellschaftlich als "vernünftig" gilt oder als solches gelehrt wird.
Insofern ist die Vernunft des Vernünftigen immer nur ein Ausschnitt dessen, was ggf. in Wahrheit oder einem anderen (ggf. viel "vernünftigeren" Blickwinkel heraus eigentlich "vernünftig" wäre. Doch diese Wahrheit kennen wir (als Teil der uns beeinflussenden Gesellschaft) selbst nicht - es sei denn, wir gehen in die Meditation, erlangen ein anderes Bewusstsein und finden unser Ich. Dann bin ich nicht ein Rädchen der Gesellschaft, sondern "Ich" und "Sein". Dann "bin" ich nicht mein Körper, sondern: Dann "habe" ich einen Körper. Dann komme ich von der "menschlichen" Vernunft zur "göttlichen" Vernunft (intellectus archetypus versus intellectus ectypus).
Der Mensch ist Teil der Natur und Aufgabe der wirklichen Vernunft ist es, das Leben in die kosmische Ordnung (Logos) einzufügen. Eine wahre "Vernunft" kann sich nicht gegen die Ordnung der Natur stellen. Doch das, was der Typus des "Vernünftigen" unter Vernunft versteht, ist letztendlich das, was das Kollektiv, von dem er abschaut und lernt, als "vernünftig" erachtet. Es geht hier folglich nicht um die eigene Vernunft, sondern um das Kopieren bzw. Nachahmen dessen, was andere als "vernünftig" erachten. Wer "vernünftig" ist, entwickelt sich schnell zu einem Mitläufer - einem Mitläufer des selbst noch so größten Irrsinns oder Abgrundes.
Kombiniert sich die "Persönlichkeit des Vernünftigen" zum Beispiel mit der Persönlichkeit des "Beflissenen", so kann die Vernunft regelrecht entarten oder sich ins komplette Gegenteil verkehren:
So empfanden etwa im 3. Reich die meisten Menschen selbst das - von Joseph Goebbels (Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda) unter dem Einfluss von Niederlagen wie in Stalingrad sowie
der Zerstörung und Auslöschung deutscher Städte durch den massiven alliierten Bombenkrieg propagierte - Motto des "Totalen Krieges" mit Forderung der Inkaufnahme noch mehr ziviler Opfer als
"vernünftig" und "erstrebenswert", während "Angsthasen" und Kritiker der vollständigen Selbstzerstörung als "Volksschädling" und / oder "Wehrkraft-Zersetzer" geächtet, verfolgt und von
"vernünftigen" und "beflissenen" Nachbarn denunziert und ermordet wurden.
Obgleich Goebbels in seiner Rede im Berliner Sportpalast ankündigte, was kommt (Zitat: "...noch totaler und radikaler als ihr es euch jemals vorstellen könnt") folgten die meisten sogenannten
"Vernünftigen" diesem Ziel, obgleich dies mit "Vernunft" eigentlich nicht viel gemein hat. Doch erst die sogenannten "Beflissenen" sorgen letztendlich dafür, dass "die Vernünftigen" dann auch
tatsächlich mitlaufen und selbst bei schwersten Verbrechen der "Beflissenen" wegschauen - und es für "vernünftig" halten der vorgegebenen Linie zu folgen. Sie sind es, die das Kollektiv
zusammenhalten - wenn auch nur zum Schein.
"Beflissen" steht für "bemüht", "fleißig", "eifrig" "emsig" und "strebsam" und ebenso für "gefällig", "dienstfertig" und "pflichtbewusst" sowie auch für "versessen" und "übereifrig". Der "Beflissene" befolgt emsig die Anweisungen dessen, dem er gefällig ist bzw. dem er vertraut - und dem er sich unterordnet (oder ausliefert). Bei fast allem, was er aufmerksam und fleißig tut, ist der Beflissene (zumeist unbewusst) letztendlich nicht für sich selbst, sondern immer für andere tätig bzw. "eifrig". Insofern ist der Beflissene der ideale "Untertan" und Einer, der dem sozialen Einfluss, insbesondere dem Einfluss von Autoritäten ganz besonders unterliegt.
Die Motive des Beflissenen sind Korrektheit und Anerkennung - stets im Hinblick auf Lob, Auszeichnung und / oder Beförderung. Der Beflissene hinterfragt nicht; er konsumiert emsig und vertrauensvoll das, was ihm von Autoritäten (bzw. seinem "Herrn und Meister"), die er nicht hinterfragt, vorgesetzt bzw. vorgegeben wird.
Entsprechend selektiv ist seine Wahrnehmung, entsprechend eng sein Horizont und Wahrnehmungsfeld, das sich nach dem ausrichtet, was Autoritäten als (einzig) "korrekt" darstellen. Regeln - und seien sie auch noch so unsinnig und sinnlos oder gar schädigend ordnet er sich unter und befolgt sie. Dabei erwartet der Beflissene, dass auch Andere sich entsprechend (mit) anpassen und/oder unterordnen. Beflissene fühlen sich zu sozialer Kontrolle verpflichtet. und betätigen sich gern direkt oder indirekt als Denunzianten und / oder Blockwarte. Zudem sind sie typische Mitläufer.
Der Typus des "Beflissenen" folgt jedem Trend - auch in sprachlicher Hinsicht z.B. im Hinblick auf die Nutzung von Anglizismen, selbst dort, wo es sich um kein typisch englisches Wort handelt. Den "Beflissenen" erkennt man an der - nicht selten demonstrativ zur Schau gestellten - sprachlichen Anpassung und an übernommenen Sprach-Stereotypen: So übernimmt der Beflissene gerne entsprechendes Trend-Vokabular aus Politik und Werbung, das er quasi kopiert und nachspricht. Verhaltensweisen kopiert er ebenfalls. Anbei noch ein kleiner Auszug zum Thema aus der Kommunikationspsychologie:
"Papageiensprech" & "Sklavensprech"
Von sogenannten Autoritäten (z.B. Medien) vorgegebene oder vorgelebten Floskeln und Phasen werden ohne Hinterfragung von Sinnhaftigkeit, Logik, Richtigkeit und Wahrheitsgehalt einfach nachgeplappert, seien sie auch noch so dümmlich, falsch und unlogisch. Über den Alltags-"Kanal" des Papageien-Sprechs können Botschaften viral verbreitet werden, sich so ausgezeichnet etablieren und sich in den Köpfen der Wenig-Denker einnisten und festsetzen.
Daraus bildet sich eine neue Schein-Wahrheit. Das Nachplappern von (Werbe-)Slogans und von Storys aus dem systemischen Storybuilding zählt ebenfalls dazu wie das Priming von Floskeln und Phrasen. Die auffällige Nutzung des "Papageiensprechs" durch sogenannte "Papageien-Menschen" wird wie beim "Nachäffen" oft mit Dummheit assoziiert und in der Deutung als intellektuelle bzw. geistige Einschränkungen und massive Anpassung mit Hang zur Nachahmung interpretiert.
Besonders stark zeigt sich der Nachahmungsdrang in der regen Nutzung von (zumeist politisch-medial oder marketingtechnisch vorgegebenen und entsprechend geprimten) Floskeln und Phrasen, die ohne Hinterfragung einer Notwendigkeit oder Sinnhaftigkeit - geradewegs ohne Sinn und Verstand - "nachgeplappert" werden. In diesem Kontext spricht man von der sogenannten "Fütterung" (zwecks Erhaschen von Anerkennung von vermeintlich Gleichgesinnten).
Der Begriff des sogenannten "Sklavensprechs" ist angelehnt an dystopische Vorbilder und wird als solches bezeichnet, weil die Benutzer offenbar ihr Gehirn ausschalten und lediglich Vorgaben
(letztendlich demütig) nachleben - und sich damit - im übertragenen Sinne aber eben auch in der Realität - quasi zu "Leibeigenen" machen.
Abzugrenzen ist das Sklavensprech von der sogenannten "Sklavensprache". Zur Info: "Sklavensprache" ist der Titel des Werkes "Subversive Schreibweisen in der Lyrik der DDR 1961-1976" aus der
Reihe: Europäische Hochschulschriften / European University Studies / Publications Universitaires Européennes von Karl-Heinz Wüst. "Sklavensprache" ist ebenso der Titel einer Glosse zur
"Reichskristallnacht" (aus: die feder - Zeitschrift der Deutschen Journalisten-Union, November 1982).
Hintergrund: "In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen, wurden Geschäfte und Wohnungen jüdischer Mitbürger geplündert, wurden Juden drangsaliert, verhaftet und ermordet. Mit der "Reichskristallnacht" begann ein neuer Abschnitt der Judenverfolgung, der in den wenig später errichteten Massenvernichtungslagern gipfelte. Neu waren nicht nur das Ausmaß und die Brutalität der planmäßig inszenierten Pogrome. Neu war auch die Schamlosigkeit, mit der hier der Nationalsozialismus sein Programm der Unmenschlichkeit auf offener Straße verkündete..." (Quelle: udo-leuschner.de)
Im Allgemeinen werden als Mitläufer Personen bezeichnet, die sich einer Gruppierung, Bewegung oder Strömung anschließen oder Autoritäten (automatisch / blind) folgen ohne sich selbst wirklich zu
engagieren. Beflissene sind klassische Mitläufer, die sich aber emsig engagieren, weshalb man bei diesem Typus dann von einem beflissenen Mitläufer spricht - und dieser Typus ist - auf eine
Gesellschaft sowie die Entstehung und Aufrechterhaltung totalitärer Systeme bezogen - geradewegs brandgefährlich. Ansonsten wird im Rahmen des sozialen Einflusses - insbesondere in Bezug auf den
Einfluss von Autoritäten und das Phänomen der Pluralistischen Ignoranz im Prinzip jeder Mensch (als "schwarmintelligentes"
"Herdentier") zum Mitläufer (siehe z.B. Milgram Experiment).
Während ein normaler Mitläufer alles passiv geschehen lässt oder einfach mitmacht, ohne dabei für sein Verhalten Rechenschaft abzulegen oder Verantwortung zu übernehmen, übernehmen beflissene
Mitläufer eine wichtige Rolle. Sie sind quasi die Vorarbeiter und Beispielgeber der Mitläufer. Aus ihrem Zusammenwirken kann sich eine Massenpsychose entwickeln, die ähnlich wirkt wie eine Wahn-Symbiose.
Eine Massenpsychose bezeichnet psychotische Verhaltensweisen von Menschen in einer Massensituation, wobei vernunftgesteuertes Verhalten durch induziertes irrationales, möglicherweise wahnhaftes Verhalten ("Massenwahn") ersetzt wird und realitätsgerechte Ich-Funktionen aufgegeben werden. Ein wesentlicher Auslöser einer Massenpsychose ist die Angst z.B. die Angst vor dem Höllenfeuer, die Angst vor Hexen und Dämonen, die Angst vor dem jüngsten Gericht, die Angst vor Plagen, die Angst vor Naturkatastrophen, die Angst vor dem Weltuntergang, die Angst vor Krankheiten usw.
Hintergrundwissen: Einfluss von Autoritäten - Das Milgram-Experiment
Autoritäten (Institutionen, Politiker, Medien, Lehrer, Prominente, vermeintliche Experten) haben zusätzlichen starken Einfluss auf unsere Urteile und unser Verhalten. Das zeigte u.a. das berühmt berüchtigte Milgram Experiment (1963).
In diesem Experiment erhielten Versuchspersonen die Möglichkeit, andere angebliche Versuchspersonen, die jedoch in Wahrheit Verbündete des Versuchsleiters waren, für falsche Aufgabenlösungen mit
Elektroschocks zu bestrafen, wobei der Versuchsleiter als Autoritätsperson befahl, das Elektroschock-Level stetig weiter (von 15 - 450 Volt) zu erhöhen. Trotz offensichtlicher verbaler
Leidens-Äußerungen der Opfer (z.B. Schmerzens-Schreie) bestand der Versuchsleiter weiter darauf, mit der Bestrafung und der Erhöhung der Volt-Zahl fortzufahren.
Das Ergebnis: Obwohl die gespielten Opfer - offensichtlich unter Schmerzen leidend - baten, das Experiment abzubrechen und den Versuchspersonen sowohl die Qual an sich, als auch die Gefahr von
Verletzungen (bis zur Todesfolge) durchaus bewusst war, fuhren 80 % der Versuchspersonen mit der Elektro-Schockgebung stetig weiter fort. 62,5 % der Versuchspersonen schreckten nicht einmal davon
ab, den höchstmöglichen Schock (450 Volt) zu verabreichen.
Variationen des Experimentes zeigten, dass sich dieses Verhalten ändert, wenn zwei andere Versuchspersonen sich weigern, mit der Schockgebung fortzufahren. In diesem Fall verabreichen nur noch 10 % der Versuchspersonen den maximalen Schock. Wenn der Versuchsleiter den Raum verlässt und stattdessen eine andere Versuchsperson darauf drängt, mit der Schockgebung fortzufahren, geben nur noch 20 % der Versuchsteilnehmer den maximalen Schock. Hier fällt die Experten-Wirkung ins Gewicht. Wer wie ei Experte wirkt, beeinflusst das Verhalten der anderen. Interessant ist auch: Wenn die Versuchspersonen das Schock-Level frei wählen dürfen, geben nur 2,5 % den maximalen Schock. Dies zeigt, dass ein natürlicher Aggressionstrieb nicht ursächlich war.
Die Beeinflussung durch Autoritäten ist am stärksten, wenn alle anderen auch gehorchen, die Autoritätsperson einen Experten-Status hat und wenig bis keine Zeit zum Nachdenken besteht. Kommt Angst
dazu, dann wirkt sich der Einfluss besonders stark aus, so dass (vermeintlichen Autoritäten) dann oft blind vertraut wird. Weil man in kleinen Schritten immer mehr gehorcht, zeigt auch die
Beeinflussung durch Autoritäten in kleinen Schritten eine große Wirkung, weil es nach der Theorie der Kognitiven Dissonanz nach jeder einzelnen Entscheidung zur Selbstrechtfertigung kommt.
Aufgrund dieser Einzelentscheidung entsteht ein Kreislauf, der nicht mehr selbst kontrollierbar ist.
In Bezug auf den sozialen Einfluss nehmen die Massenmedien den wohl größten Stellenwert ein (Details)
Hintergrundwissen: Mitläufereffekt
Der Mitläufereffekt (auch Musikwagen-Effekt oder Bandwagon-Effekt“) ist ein Kommunikationseffekt, der beschreibt, dass Menschen ihr Verhalten am von ihnen wahrgenommenen Umfeld ausrichten. Das Motiv dahinter: Der Mensch möchte dort sein, „wo die Musik spielt" (Sozialer Einfluss). Ein typisches Beispiel für den Mitläufereffekt ist der - bei Konsumenten zu beobachtende - Preiseffekt. Insbesondere jene Menschen, die sich als Teil eines Kollektivs verstehen und / oder Teil eines Kollektivs sein möchten, richten ihr Verhalten – ggf. unbewusst – nach dem Mitläufereffekt aus.
Hintergrundwissen:
Zuschauer Effekt / Bystander-effect / non-helping-bystander effect / Genovese
Syndrom
Der "Zuschauer Effekt" bzw. "bystander effect", der auch als "non-helping-bystander effect" oder "Genovese-Syndrom" bezeichnet wird, beschreibt das Phänomen, dass einzelne Augenzeugen eines Unfalls oder eines kriminellen Übergriffes insbesondere dann mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit eingreifen bzw. Hilfe leisten, wenn weitere Zuschauer (engl. bystander „Dabeistehende“) anwesend sind.
Der Einzelne überträgt die Verantwortung an das Kollektiv. Niemand möchte den ersten Schritt tun. Der Einzelne möchte sich nicht blamieren bzw. sich vor den anderen lächerlich machen. Alternativ ist der Einzelne auch zu bequem, den ersten Schritt zu tun oder er traut sich von seinem Kompetenz-Empfinden nicht zu, zu handeln. Die individuellen Gründe liegen in der individuellen Persönlichkeit. Der Effekt selbst wirkt aber unabhängig (!) davon. Er basiert auf dem Effekt des sozialen Einflusses. Dieser Effekt führt dazu, dass das eigenständige Denken und Handeln ausgeblendet wird und sich dem tatsächlichen oder nur vorstellten Denken und Verhalten der Gruppe unterstellt.
Der Begriff „Genovese-Syndrom“ basiert auf dem Namen von Kitty Genovese, einer US-Amerikanerin aus New York City, die 1964 auf dem Weg zu ihrem Wohnhaus einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Der Anschlag auf Kitty Genovese zog sich über etwa eine halbe Stunde hin und geschah an verschiedenen Orten. Mindestens 38 Personen aus der Nachbarschaft beobachteten den Überfall, ohne dass der jungen Frau irgendjemand zu Hilfe kam. Der Mord an Kitty Genovese veranlasste die Psychologen John M. Darley von der New York University und Bibb Latané von der Columbia University das Nichteingreifen der Zeugen wissenschaftlich zu untersuchen. Als Hauptursachen des Verhaltens identifizierten die Forscher die Aufteilung der Verantwortung sowie Pluralistische Ignoranz. Die Forschungsarbeiten von Darley und Latané motivierten zu vielen weiteren sozialpsychologischen Studien über prosoziales Verhalten. Forschungen, welche die Ursachen für das Phänomen der unterlassenen Hilfeleistung untersuchen, betonen die starke Bedeutung von Gruppenprozessen und Gruppendynamik.
Als Opportunist gilt jemand, der sich aus Nützlichkeitserwägungen schnell und bedenkenlos der jeweils gegebenen Lage anpasst, jemand der bei und durch seine Anpassung zweckmäßig handelt, um einen Vorteil daraus zu ziehen oder um Nachteile zu vermeiden. Sie sind wie das sprichwörtliche "Fähnchen im Wind" und passen sich an, je nachdem von welcher Richtung der Wind gerade bläst. Mit politischem und sozialem Bezug wird Opportunismus als charakterloses Verhalten beschrieben.
"Es gibt sie in jeder Diktatur, jene willfährigen Mitläufer an der Grenze zur Mittäterschaft, die den eigenen Vorteil zum Maßstab ihres Handelns machen". (Neue Zürcher Zeitung / 2007)