Wissen: Kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten

Vom Konformisten zum beflissenen Mitläufer 

Wissen Psychologie - Kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten: "Der Beflissene", "Der Vernünftige", "Der Mitläufer", "Der Opportunist". Wissen Persönlichkeitspsychologie + Sozialpsychologie

Einleitung: Persönlichkeit

Der Begriff "Persönlichkeit" bezieht sich auf die charakterliche Individualität des Menschen und seiner zahlreichen Persönlichkeitseigenschaften sowie deren Unterscheidung von anderen. Jede Persönlichkeit hat ihren eigenen Charakter,

der sich von anderen Menschen unterscheidet.

In Bezug auf bestimmte Persönlichkeitstypen gibt es die unterschiedlichsten (mehr oder weniger "anerkannten") Persönlichkeitstheorien. Zusätzlich nutzt jeder Mensch sogenannte "
Implizite Persönlichkeitstheorien".

 

Eine implizite Persönlichkeitstheorie (IPT) ist ein Schema, von dem Menschen bei der Alltags-Beurteilung anderer Menschen unbewusst ausgehen und die sich an beobachtbaren Merkmalen und Verhaltensweisen orientieren (z. B. Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Umgangsformen, Ausbildung, regionale Herkunft, Sternzeichen etc.). Von diesen Merkmalen werden Rückschlüsse auf entsprechende Persönlichkeitseigenschaften gezogen  (z.B. ängstlich/mutig, introvertiert/extrovertiert, aggressiv/depressiv usw.). Die so erschlossenen Ergebnisse werden dann automatisch bewertet (sympathisch/unsympathisch, kompetent/inkompetent, vertrauenswürdig/nicht vertrauenswürdig usw). 

 

Im Laufe seiner Sozialisation entwickelt jeder Mensch automatisch spezifische IPT (siehe "Social Cognition-Effekt"), an denen er sich orientiert und daran ausrichtet, obgleich IPT auf stereotype Urteilen basieren. Diese dienen als Orientierungshilfe für das Verhalten gegenüber anderen (insbesondere fremden) Menschen und haben im Sozialverhalten eine entlastende Funktion.  Implizite Persönlichkeitstheorien beruhen auf Erfahrungen und daraus resultierenden Erwartungen. Sie sind folglich ein Ergebnis des Erfahrungslernens. Sie wirken in der Regel unbewusst, worin zugleich eine Gefahr liegt. Denn durch IPT wird die Wahrnehmung Anderer durch stillschweigenden Annahmen stark beeinflusst und es kommt zu Beurteilungsfehlern , falschen Vorurteilen und ggf. zum psychologisch relevanten Effekt der selbsterfüllenden Prophezeiung  (Self-fulfilling-prophecy), der in der Pädagogik auch als "Rosenthal Effekt" bekannt ist.

 

Implizite Persönlichkeitstheorien nutzt im Prinzip jeder Mensch, um andere Menschen zu beurteilen und entsprechende Einschätzungen und Entscheidungen zu treffen. Die vermeintliche Fähigkeit, Urteile auf Basis von IPT zu treffen, wird auch als Menschenkenntnis bezeichnet und in der Alltags-Psychologie (sog. Küchen-Psychologie) als positive Kompetenz erachtet, obwohl Menschenkenntnis in der wissenschaftlichen Psychologie als Wahrnehmungsfehler erachtet wird.   

 

Die 2 grundlegenden Menschen-Typen 

Auf dieser Seite soll es weder um subjektive Menschenbild-Theorien, noch um eine Klassifizierung gehen, sondern lediglich um die zwei grundlegenden Menschentypen im Kontext zur Gesellschaft bzw. in ihrer psychologischen Abhängigkeit von der Gesellschaft, deren Teil jeder Mensch letztendlich ist, es sei denn, dass er diese - inklusive gesellschaftlicher Normen und Menschenbildannahmen - mehr oder weniger hinterfragt oder sich davon abkoppelt, so wie dies bei Individualisten und liberal denkenden Menschen der Fall ist. 

 

Kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten orientieren sich stark an einem gesellschaftlichen System von Werten und Normen, wobei sie das Wohlergehen des Kollektivs (Gruppen, Staat, Gesellschaft) über ihre eigene Person setzen und ihre eigene Persönlichkeit stark zurückschrauben und der im Kollektiv organisierten jeweiligen sozialen Gruppe und deren Normen und Werten unterordnen (Anpassung, Unterordnung, Unterwerfung).

 

Den Gegenpart zu konformistisch orientierten Persönlichkeiten bilden individualistisch und liberal orientierte Persönlichkeiten, die Normen und Systeme  kritisch hinterfragen und sich die Freiheit individueller Wünsche, Bedürfnisse und Entscheidungen nicht von anderen nehmen oder einschränken lassen wollen.

 

Begriffe wie "Individualist" und "Kollektivist" sind erst einmal völlig wertungsfrei. Individualistisch oder kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten haben im jeweiligen Kontext ihre jeweiligen Vor- und Nachteile.

 

Sofern man davon ausgeht, dass Menschen charakterlich grundsätzlich "gut" und rechtschaffend sind, hat kollektivistisches Denken in der Theorie deutliche Vorzüge, zumal Individualismus oft mit Egoismus in Verbindung gebracht wird. In der Praxis bzw. Realität ist dies aber nicht der Fall; schließlich haben nicht alle Menschen einen guten Charakter - und es sind nicht alle Menschen rechtschaffend. Ebenso weisen nicht alle Menschen eine gesunde Psyche und Persönlichkeit auf.

 

Vielmehr sind die Fallzahlen in Bezug auf Persönlichkeitsstörungen und psychische Störungen nicht so gering - wie viele annehmen - und in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen, so dass von einer homogen "normalen" bzw. gesunden Gesellschaft, bei der negative Persönlichkeiten - naiven Theorien und Menschenbildannahmen entsprechend - eher eine Ausnahme darstellen, nicht mehr die Rede sein kann, was in Bezug auf kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten und deren Anpassung bzw. Symbiose ein echtes Problem darstellen kann, da sie Negatives leichtfertig bis unhinterfragt übernehmen, was sich wiederum auf die gesamte Gesellschaft auswirkt.  

 

Weiterhin besteht die Gefahr, dass kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten schnell zum "Spielball" eines Systems werden. Dies ist insofern gefährlich, da nicht alle Gruppen und Systeme sowie deren Normen "gut" bzw. positiv und rechtschaffend sind (siehe z.B. totalitäre Systeme, 3. Reich etc.). Kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten stärken derartige Systeme und halten sie zusammen. Zudem fungieren sie letztendlich als willfährige oder gar hörige Werkzeuge der jeweiligen Autoritäten bzw. Machthaber.   

 

Differenzierung

Im ganz Groben kann man zwischen individuellen (eigenständig (selbst-) und quer-denkenden) Menschen (z.B. Individualisten) und kollektivistisch orientierten (gemeinschaftlich orientierten und eher fremdbestimmt denkenden und handelnden) Persönlichkeiten (sog. "Konformisten" ) unterscheiden, wobei die Ausprägungs-Range in den Extremen quasi zwischen (unangepasstem bedürfnislosem "Eremit" und dem Typus des (Gesellschafts- vollkonformem"Maschinen-Menschen" liegt, die auch als Ich-lose Menschen bezeichnet werden, welche von Rudolf Steiner (1861-1925), Theosoph / Geisteswissenschaftler, Reformpädagoge und Begründer der Anthroposophie,  als sogenannte "Heuschrecken-Menschen" klassifiziert werden.

 

Im Coaching wird gerne der historische Vergleich zwischen "Trommlern" und "Rudergaleeren-Sklaven" auf antiken Schiffen benutzt, um den Unterschied (auch für die grundsätzliche) Lebenseinstellung symbolisch darzustellen. In eher mythisch oder religiös geprägten Bereichen unterscheidet man z.B. zwischen (selbst bestimmten und ihr Weltbild hinterfragenden) "Beseelten" bzw. (eher auf Natur, Gott und Kosmos vertrauenden) "Alten Seelen" und (mehr fremdbestimmten und auf den Zug der Masse aufspringenden) sogenannten "Seelenlosen", die im übertragenen Sinne auch mit "Zombies" verglichen werden, womit "ihrer Seele beraubte Wesen ohne eigenen Willen" gemeint sind, die aus Sicht der eher individuellen Persönlichkeiten wie "ferngesteuerte" "Roboter" handeln und auf natürliche logisch-denkende Menschen nicht selten "künstlich" wirken. 

 

Der Begriff "Zombie" dient im Allgemeinen auch als Metapher für ein angepasstes Dahinvegetieren, für unterwürfigen und kritiklosen Gehorsam sowie für passiven Konsum und Desinteresse an Aufklärung und Hinterfragen. Auch in Bezug auf die enorme Zunahme und Ausbreitung gefährlicher Persönlichkeitsstörungen und bestimmter - durch Gehirnparasiten ausgelöste - psychische Störungen wird im übertragenen Sinne umgangssprachlich gerne von "Zombies" gesprochen, weil sich der Laie zumeist nicht erklären kann, warum einige Menschen, die auf manche manchmal gar nicht mehr wie "Menschen" wirken, die Realität nicht wahrnehmen und nicht wahrhaben wollen - und warum sie im Kollektiv manchmal geradewegs dümmlich-naiv und der Beschreibung nach wie "weltfremd", "realitätsfern" und "ferngesteuert" wirken.

 

Doch auch solche Menschen haben Motive - und manchmal (nicht selten) liegt dem ggf. auch eine Persönlichkeitsstörung zugrunde. Insbesondere haltschwache Persönlichkeiten, ängstliche Menschen, Menschen mit hohem Sicherheitsbedürfnis und Narzissten sind dafür anfällig, ihre eigene Persönlichkeit massiv an die Umwelt bzw. an das Kollektiv anzupassen, um entweder "Halt" und "Sicherheit" zu bekommen oder ihre Energie aus echter oder vermeintlicher Anerkennung durch das Kollektiv bzw. durch Autoritäten zu erhaschen, um ihre innere Leere zu füllen. 

 

Keith Campbell und Jean Twenge von der San Diego State University haben über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren anhand zahlloser Studien, Studentenbefragungen, Labortests und Experimente das Phänomen der Zunahme und Ausbreitung bestimmter Persönlichkeitsstörungen analysiert. Die furchterregenden Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten sie 2009 unter dem Titel "The Narcissim Epidemic", wobei sie ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung der viralen Zunahme Narzisstischer Persönlichkeitsstörungen setzten.

 

Unabhängig davon, kennt man bei kollektivistisch orientierten Persönlichkeiten positiv wie negativ handelnde Persönlichkeiten, was jeweils abhängig von den Zielen und Taten des jeweiligen Kollektivs ist. Als gefährlich gilt hier der Typus des a) Beflissenen und des b) Vernünftigen sowie des c) Mitläufers und d) Opportunisten, die teilweise miteinander verschmelzen. Je mehr Persönlichkeits-Anteile hier zusammenkommen, desto extremer wirken sich solche Persönlichkeiten auf Andere und die Gesellschaft aus.

 

Probleme im Leben / Zusammenleben bei Mischtypen

Probleme im Leben bzw. im Zusammenleben mit Anderen entstehen insbesondere bei Mischformen z.B. bei Menschen, die sich als Individualisten betrachten, sich aufgrund bestimmter Bedürfnisse sich aber in gesellschaftliche Abhängigkeiten begeben (z.B.  aufgrund des eigenen Sicherheitsbedürfnisses). Oder zum Beispiel bei Individualisten, die sich unbewusst mit Kollektivisten umgeben oder einem typischen kollektivistisch orientierten Beruf nachgehen (z.B. Erzieher, Krankenpfleger, Polizist etc.). Hier sind Probleme durch kognitive Dissonanzen sowie innere wie äußere Konflikte geradewegs vorprogrammiert - schließlich wird man es kaum schaffen (bzw. mental ertragen), den ganzen Tag zu schauspielern.

 

Zudem ist es für Menschen viel zu anstrengend und unökonomisch, sich die ganze Zeit anzupassen und anderen Persönlichkeitstypen wie Normen unterzuordnen, die man aufgrund der eigenen Persönlichkeit, des Intellekts oder der Sensibilität hinterfragt. Hier prallen Erwartungshaltungen aufeinander, die nur schwer miteinander vereinbar sind, ohne mittel- wie langfristig einen psychischen Schaden zu nehmen. 

 

Insbesondere bei der Berufsorientierung ist dies zu berücksichtigen. Ein Individualist der sich für einen ggf. weniger gut bezahlten Kreativberuf entscheidet, gleichzeitig aber die üblichen kollektivistisch orientierten Werte vertritt und diesen aufgrund seiner finanziellen Erwartungshaltung nacheifert wird ebenso unglücklich wie ein kollektivistisch orientierter gesellschaftlich angepasster in den üblichen gesellschaftlichen Klischees und Normen denkender Mensch, der sich im Umfeld von Individualisten z.B. als Spießer und Langweiler fühlt.

 

Wer aufgrund bestimmter individueller Bedürfnisse und Ansprüche (z.B. im Hinblick auf Sensibilität, Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Hinterfragung. Tiefgründigkeit, Vertrauen etc.) mit gleicher Erwartungshaltung mit Kollektivisten interagiert, wird Frust ernten, insbesondere dann, wenn er sich vom Kollektiv abhängig macht - allein schon dadurch, dass ihm die Aufspaltung in zwei unterschiedliche Welten gar nicht bewusst ist, obgleich er oder sie im Leben erheblichen Stress erfährt, den er oder sie aber ganz anderen Ursächlichkeiten zuschreibt.     

 

Hintergrundwissen Individualismus

Das Gegenteil von Konformismus ist der Nonkonformismus, auch bekannt als Individualität. Hier werden die eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Entscheidungen über die Normen gestellt und Normen kritisch hinterfragt.

 

Hintergrundwissen Kollektivismus
Unter Kollektivismus wird ein System von Werten und Normen verstanden, in dem das Wohlergehen des Kollektivs die höchste Priorität einnimmt. Die Interessen des Individuums werden denen der im Kollektiv organisierten sozialen Gruppe untergeordnet. Der Gegensatz dazu ist der Individualismus.

 

Hintergrundwissen Schein-Kollektive

Manchmal handelt es sich bei Staats- und Herrschaftsformen lediglich um ein vermeintliches Kollektiv, wobei in Wahrheit lediglich eine elitäre Gruppe ein Schein-Kollektiv darstellt, das via Propaganda öffentlich proklamieren bzw. unterstellen lässt, dass es sich um "das Kollektiv" handele. Sofern die "Wir sind mehr und mächtiger"-Rhetorik-Strategie in der Geschichte nicht aufging, dann importierte man früher nicht selten ausländische Truppen zur Abschreckung und zur Sicherung der Macht. So ging es beim Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 - eines der bedeutenden Ereignisse zu Beginn der Französischen Revolution gegen die schweizer und deutschen Söldner, welche die Bastille bewachten.


Das wohl schrillste Beispiel für ein Pseudo-Kollektiv ist hier wohl die bekannte Maxime des Sonnenkönigs Ludwig XIV, der mit dem Slogan "L’État, c’est moi! – Der Staat, das bin ich!" selbstherrlich proklamierte, dass allein er das Kollektiv sei, so wie auch die Killer-Clique des bekannten Insel-Schreckens-Regime nach dem Schiffbruch der niederländischen Batavia vor der australischen Küste im Jahre 1629 sich als Kollektiv erachteten - und mit der Mehrheit der Schiffbrüchigen in geradewegs psychopathischer Manier machten, was sie wollten (Details siehe Wissen: Massenpsychologie).

 

Kollektivistische Normensysteme verlangen Gemeinschaftsgefühl und Solidarität. Als politische Ideologien des Kollektivismus gelten insbesondere Kommunismus, Sozialismus und Nationalsozialismus. Wenn der Einsatz des Einzelnen für das Kollektiv auf Willensentscheidung gründet, spricht man von Altruismus. Diesen beansprucht auch der Kollektivismus für sich.

 

Die vier kollektivistischen Persönlichkeits-Subtypen werden nachfolgend vorgestellt und (für den theoretischen Hintergrund) durch die Erläuterung einige Beispiel-Effekte aus der Sozialpsychologie ergänzt. Um das Wesen kollektivistisch orientierter Persönlichkeiten zu verstehen, erfolgt nachfolgend ebenfalls eine kurze Erläuterung zum Thema Kollektivismus

 

Hintergrundwissen Konformismus

Konformismus, auch als Konformität bekannt, beschreibt die Anpassung eines Individuums an eine Gruppe mit vorgegebenen Normen, wobei die besagte Anpassung dem Wunsch nach Zugehörigkeit entspringt, aber auch der Angst vor Verantwortung. Konformismus bedeutet die Übereinstimmung einer Person mit den gesellschaftlichen, inhaltlichen oder ethischen Vorgaben. In einem größeren Rahmen, der nicht nur eine Person betrifft, wird bei Konformismus dann von Kollektivismus gesprochen. Wenn nicht nur ein einzelnes Individuum, sondern große Gesellschaftsgruppen konformistisch agieren, nennt sich das Kollektivismus.

 

Konformismus in der Sozialpsychologie

Konformistische Verhalten wurde erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts von Walther Moede beschrieben. Moede beobachtete bei einer Schulklasse, dass sich die Schüler gegenseitig beeinflussten und sich so die Leistungen anglichen. Während Schüler mit sehr gutem Leistungsniveau absanken, stiegen die Schüler mit einem schlechteren Leistungsdurchschnitt auf. Dieser Effekt beruht auf zwei Einflüssen.

Der erste ist der informative Einfluss. Hierbei kommt es zu einer Anpassung, da eine Person der Gruppe als Informationsquelle dient, die Wissen und Sicherheit vermittelt, an der sich unsichere Gruppenmitglieder orientieren. Deshalb heben leistungsstarke Schüler die Leistung der anderen. Ist keine Person vorhanden, die weiß, was zu tun ist, dann kommt es zu keiner Handlung. Dieses Verhalten wird als pluralisitische Ignoranz bezeichnet. Oft ist das zu beobachten, sobald mehrere Zeugen eines Notfalles keine Hilfe leisten. Jeder Anwesende fragt sich, warum er helfen soll, wenn das auch andere können.

 

Der zweite Einfluss ist der normative Einfluss. Dieser ist dafür verantwortlich, dass eine Person nicht durch abweichendes, Verhalten außerhalb der Norm auffällt, was in einer Schulklasse z.B. bedeutet, dass die leistungsstarken Schüler sich dem Standard der Leistungsschwächeren anpassen.

 

Hinzu kommt die Social-Impact-Theory des Psychologen Latané (1981), der den normativen Einfluss um drei Variablen ergänzt, die den Gruppenzwang beeinflussen. Eine Variable ist die Gruppengröße. Bis vier Personen ist der Zwang nach Konformismus sehr stark, steigt dann bis zu sieben Personen nur noch leicht an, bevor er auf dieser Niveauhöhe stagniert.

 

Einen entscheidenden Einfluss hat auch die Wichtigkeit der Gruppe für das Individuum, die aussagt, wie groß der Wunsch nach Zugehörigkeit ist. Die letzte Variable ist das Normengedächtnis. Je länger oder räumlich weiter die Gruppe entfernt ist, desto mehr sinkt das konformistische Verhalten der Person. Verliert sich der Kontakt zu einer Gruppe zum Beispiel durch einen Wegzug, dann wird die Person sich nach anderen Normen richten, während gruppenspezifische Normen in den Hintergrund treten. Kommt es zum erneuten Aufeinandertreffen mit der früheren Gruppe, dann ist oftmals eine nochmalige Anpassung zu beobachten.

 

Bekanntes Experiment in Sachen Konformismus sind das Stanford-Prison-Experiment und das Milgram-Experiment. Beim Stanford-Prison-Experiment wurden per Los aus der Versuchsgruppe Gefängniswächter und Gefangene ausgewählt. Während des Versuchs kam es zu einer Anpassung der Wärter im Verhalten und in der Gruppe der Gefangenen. Der informative Einfluss bestand aus der Beobachtung der Verhaltensmuster von Gruppenmitgliedern und der normative Einfluss stammte aus den (erwarteten) Konsequenzen bei Regelverstößen.

 

Das zweite Experiment untersuchte den Einfluss von Autoritäten. Dabei wurden Anweisungen von Laien und Autoritätspersonen gegeben. Der informative Einfluss wurde dadurch aufgezeigt, dass Befehle von Laien durch die Testpersonen nicht so gehorsam ausgeführt wurden wie bei Autoritätspersonen. Hierbei kam es zu einem konformistischen Gruppenverhalten. Unter den Probanden waren auch Eingeweihte. Stellten diese die Anweisung der Autoritätsperson in Frage, sank der Gehorsam der Testpersonen, was den normativen, also psychosozialen, Einfluss belegt.

 

Eine weitere Theorie ist die Generelle Konformitätstheorie von Rüdiger Peuckert, der zwischen Anpassungs- und Einstellungskonformität unterscheidet. Anpassungskonformität beschreibt das Verhalten, dass die Person zeigt. Hierbei kann es sich um Gruppenrituale, Traditionen oder das Befolgen von Gesetzen sein. Die Einstellungskonformität umfasst Denkmuster, wie sie bei Religionen, Moralvorstellungen oder lokaler Mentalität zu beobachten ist. So herrscht in Deutschland eine andere Mentalität wie beispielsweise in Spanien. Hauptannahme der Theorie ist, dass eine Person sich dann konformistisch verhält bzw. denkt, wenn der erwartete Gewinn größer ist, als es bei einem non-konformistischen Verhalten wäre. 

Konformisten

Konformisten verfolgen die Anpassung und Angleichung an eine Gruppe / Gesellschaft und deren Normen. Dies kann aus eigener Überzeugung (persönliche Akzeptanz) oder durch Normenvorgabe von außen (öffentliche Folgsamkeit) entstehen, der sie sich (willenlos) beugen. Die Meinung einer Gruppe / Gesellschaft wird von ihnen ohne Hinterfragung übernommen. Konformisten gelten daher als Spielball, Mitläufer und maßgebliche Mitträger totalitärer Systeme. 

 

Die Haltung von Konformisten beruht auf das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Akzeptanz und Integration. Ausgelöst wird dieser Wunsch u.a. durch eine Unterschätzung des Selbst z.B. auf Basis einer Selbstwertproblematik, aber auch durch Angst vor Verantwortung. Das Verlangen nach Angleichung steht zumeist in einem Zusammenhang mit Assimilation, Migration oder Konformitätsdruck durch die Gesellschaft beziehungsweise eine Gruppe.

 

Ein weiterer Auslöser ist der Konformitätsdruck (Gruppenzwang) im Rahmen des Sozialen Einflusses. Hat eine schwache Persönlichkeit Angst vor einer möglichen Ausgrenzung, wirkt sie dieser tatsächlichen oder lediglich vorgestellten Ausgrenzung  entgegen, in dem sie sich entsprechend anpasst, sich konformistisch zeigt und sich an die entsprechenden Gruppennormen anpasst, egal wie abstrus, bösartig oder gefährlich diese Gruppennormen sind.

 

Wie man es allein aus dem NS-Regime her kennt, gehen Konformisten dabei sogar über Leichen. Denn Konformität kann auch übermäßig ausgeprägt sein, so dass von einem kritischen Konformismus gesprochen wird. Viele Konformisten sehen sich als "aufrechte Mitstreiter" eines bestehenden Systems, dass sie nicht in Frage stellen und dessen Taten nicht reflektieren. Konformisten gab es unter allen Fahnen. Stets glaubten und glauben sie fest daran, sich für die vermeintlich "richtige" Sache einzusetzen. Davon sind sie felsenfest überzeugt und niemand kann sie davon abbringen.

 

Kritischer Konformismus reicht bis zur Selbstaufgabe zum Zweck der Zugehörigkeit. Konformismus beeinflusst den Lebensstil, die Verhaltensmuster und die Entscheidungsfindung von Konformisten von denen es mehrere Sub-Typen gibt, die nachfolgend kurz skizziert werden.

 

Unter dem Begriff Normen versteht man, im allgemeinen Sprachgebrauch, Richtlinien oder Standards, die sich auf bestimmte Werte beziehen und Handlungen unter einer Bezugnahme auf diese empfehlen. Normen können verbindlich, aber nicht a priori rechtsverbindlich sein. Normen zeichnen sich durch eine spezifische Adressatenorientierung sowie ihren allgemeingültigen Charakter aus. Sie werden nicht nur von rechtlichen Instanzen oder etablierten Institutionen gesetzt, sondern entwickeln sich auch organisch, z.B. aus gesellschaftlichen Wertvorstellungen.

 

Konformisten können auch als "Normisten" bezeichnet werden. Denn ihre Richtschnur ist das, was das jeweilige Kollektiv bzw. eine Autorität vorgibt, sei es auch noch so falsch und unmoralisch. (Siehe dazu u.a. den Bericht von François Pelsaert, 1590 - 1630 zu den grausamen Ereignissen nach dem Schiffbruch der Batavia und dem damit verbundenen Schreckensregime des Jeronimus Cornelisz).

 

Die krankhafte (zwanghafte) Form des Normismus bezeichnet man als Normopathie (siehe separate Ausführungen dazu). Für Normisten wie Normopathen gelten die Maßstäbe, Prinzipien, Maxime, Ideale, Werte, Regeln, Richtlinien und Vorschriften (Normen und soziale Normen) von Autoritäten und Kollektiven die sie (oft unhinterfragt) übernehmen und - insbesondere bei extremen pathologischen Formen wie der narzisstischen Normopathie (siehe separate Ausführungen dazu) - sogar demonstrativ gegen andere Menschen ausspielen und dies offen bzw. vermeintlich "heldenhaft" zur Schau stellen.

 

Während Normisten - insbesondere Normopathen - gern freiwillig als Spitzel und Denunzianten tätig werden, spielen sich narzisstische Normopathen gerne als heldenhafte Ankläger in den Vordergrund, um dadurch (vermeintliche) Mehr-Anerkennung zu erhaschen. Ihr Verhalten dient auch dazu, sich mit ihrer eigenen kranken Persönlichkeit und Persönlichkeitsgeschichte durch diese Form der Ablenkung tunlichst nicht auseinandersetzen zu müssen.     

 

Kommen wir nachfolgend nun zu den Untertypen von Konformisten und Normisten, die sich grundsätzlich voneinander unterscheiden, aber auch als Mischtypen auftreten:

Der Gesellige

Der Typus des "Geselligen" verfügt über die Neigung und Fähigkeit, sich anderen Menschen anzuschließen und mit ihnen gesellschaftlichen Umgang zu pflegen, wo immer es geht. Er liebt, braucht und sucht die Gesellschaft Anderer, von denen er sich Anerkennung erhofft. Auch geht es um Anerkennung durch die Gruppe an sich. Deshalb engagiert er sich gerne und lässt sich leicht für bestimmte Aufgaben, Dienste und Ämter einspannen bzw. verpflichten. Der Gesellige blüht auf, wenn er in Geselligkeit ist und das Gefühl der faktischen oder vorgestellten Anerkennung durch das Kollektiv hat. 

 

Beim Typus des Geselligen steht die Geselligkeit - der Umgang mit Anderen - an sich im Vordergrund. Er schließt sich gerne Gruppen (z.B. Vereinen) an und engagiert sich dort, wobei für ihn Ziel und Thema der jeweiligen Gemeinschaft bzw. des jeweiligen Engagements nicht im Vordergrund steht. In einer Gruppe erweist sich der Gesellige zumeist sehr loyal - immer mit dabei und engagiert, was von der jeweiligen Gruppe ggf. auch leicht ausgenutzt werden kann.

 

Aufgrund seines Strebens nach Gemeinschaft und Anerkennung und der Ausblendung des Egos wird der Gesellige schnell zum Mitläufer mit geringer ICH-Identität, der die jeweiligen Gruppenziele wenig hinterfragt. Der Typus des "Geselligen" kann unabhängig von Normopathie auftreten. 

Der Vernünftige

"Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an; der unvernünftige besteht auf dem Versuch, die Welt sich anzupassen. Deshalb hängt aller Fortschritt von unvernünftigen Menschen ab"

(Zitat von George Bernard Shaw, irischer Schriftsteller (1856 - 1950)

 

Im Allgemeinen steht Vernunft für ein - durch Denken bestimmtes  geistiges menschliches Vermögen zur Erkenntnis. Die Vernunft dient auch dazu, die körperlichen Triebe zu regulieren und so zu einem ausgewogenen, tugendhaften Leben zu kommen. Doch es handelt sich bei "Vernunft" nicht etwa nur um intrinsisch motiviertes Denken im Sinne des Motivs der Korrektheit: Vernunft bezieht sich auf das, was die Gesellschaft dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend jeweils für "richtig" bzw. "korrekt" und "vernünftig" hält. Insofern basiert die "Vernunft" des "Vernünftigen" nicht auf einer Welt-Erkenntnis oder einer echten eigenen Erkenntnis, sondern letztendlich auf Meinungen und Wahrheiten des jeweiligen Kollektivs, in dem der Vernünftige lebt und arbeitet und sich anpasst.

 

Wir halten die Vernunft für unser oberstes Erkenntnisvermögen. Schließlich kontrolliert Vernunft den Verstand, mit dem die Wahrnehmung strukturiert wird. Zudem erkennt "Vernunft" die Beschränkungen unserer Wahrnehmung und unseres Verstandes - oder "meint" zumindest, diese zu kennen - und kann ihm Grenzen setzen. Doch in der Realität halten wir über die Sozialisation und den sozialen Einfluss letztendlich immer das für "vernünftig", was gesellschaftlich als "vernünftig" gilt oder als solches gelehrt wird. 

 

Insofern ist die Vernunft des Vernünftigen immer nur ein Ausschnitt dessen, was ggf. in Wahrheit oder einem anderen (ggf. viel "vernünftigeren" Blickwinkel heraus eigentlich "vernünftig" wäre. Doch diese Wahrheit kennen wir (als Teil der uns beeinflussenden Gesellschaft) selbst nicht - es sei denn, wir gehen in die Meditation, erlangen ein anderes Bewusstsein und finden unser Ich. Dann bin ich nicht ein Rädchen der Gesellschaft, sondern "Ich" und "Sein". Dann "bin" ich nicht mein Körper, sondern: Dann "habe" ich einen Körper.  Dann komme ich von der "menschlichen" Vernunft zur "göttlichen" Vernunft (intellectus archetypus versus intellectus ectypus).

 

Der Mensch ist Teil der Natur und Aufgabe der wirklichen Vernunft ist es, das Leben in die kosmische Ordnung (Logos) einzufügen. Eine wahre "Vernunft" kann sich nicht gegen die Ordnung der Natur stellen. Doch das, was der Typus des "Vernünftigen" unter Vernunft versteht, ist letztendlich das, was das Kollektiv, von dem er abschaut und lernt, als "vernünftig" erachtet. In diesem Kontext sei an den Wahrnehmungsfehler aufgrund falscher Grundannahmen genauso erinnert wie an den Wahrnehmungsfehler durch mediale Beeinflussung bzw. Wahrnehmungsfehler aufgrund Abrufbarkeit von vermeintlichem "Wissen" aus Medien, der auch über sogenannte "Quellenrecherche" implementiert wird.

 

Es geht hier folglich nicht um die eigene Vernunft, sondern letztendlich um das Kopieren bzw. Nachahmen dessen, was andere als "vernünftig" erachten bzw. was als "vernünftig" und "richtig" vorgegeben und medial vorgelebt wird. Wer "vernünftig" ist, entwickelt sich schnell zu einem Mitläufer - einem Mitläufer des selbst noch so größten Irrsinns oder Abgrundes. Nicht selten befinden sich unter dem Typus des Vernünftigen Normopathen (siehe separate Ausführungen dazu).

 

Kombiniert sich die "Persönlichkeit des Vernünftigen" zum Beispiel mit der Persönlichkeit des "Beflissenen", so können "Vernunft" und "Beflissenheit" - wie bei der narzisstischen Normopathie - regelrecht entarten oder sich ins komplette Gegenteil von Vernunft verkehren: Die Realität wird dann vollkommen ausgeblendet und damit auch jegliche Falschheit und oder Gefährlichkeit ausgeblendet, nicht mehr wahrgenommen oder geleugnet. 

 

So empfanden etwa im 3. Reich die meisten Menschen selbst das - von Joseph Goebbels (Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda) unter dem Einfluss von Niederlagen wie in Stalingrad sowie der Zerstörung und Auslöschung deutscher Städte durch den massiven alliierten Bombenkrieg propagierte - Motto des "Totalen Krieges" mit Forderung der Inkaufnahme noch mehr ziviler Opfer als "vernünftig" und "erstrebenswert", während "Angsthasen" und Kritiker der vollständigen Selbstzerstörung als "Volksschädling" und / oder "Wehrkraft-Zersetzer" geächtet, verfolgt und von "vernünftigen" und "beflissenen" Nachbarn denunziert und ermordet wurden.

Obgleich Goebbels in seiner Rede im Berliner Sportpalast ankündigte, was kommt (Ein Krieg (Zitat): "...noch totaler und radikaler als ihr es euch jemals vorstellen könnt") folgten die meisten sogenannten "Vernünftigen" diesem Ziel, obgleich dies mit "Vernunft" eigentlich nicht viel gemein hat. Doch erst die sogenannten "Beflissenen" sorgen letztendlich dafür, dass "die Vernünftigen" dann auch tatsächlich mitlaufen und selbst bei schwersten Verbrechen der "Beflissenen" wegschauen - und es für "vernünftig" halten, der vorgegebenen Linie zu folgen. Sie sind es, die das Kollektiv zusammenhalten - wenn auch nur zum Schein. Vorne weg agieren zumeist narzisstische Normopathen, die dann später - wenn man es besser weiß - als "Wahnsinnige" bezeichnet werden, denen man vorher aber blindlings in den Tod bzw. Untergang gefolgt ist. 

Der Beflissene

Bei den sogenannten "Beflissenen" liegt übermäßig ausgeprägte Konformität vor (siehe "Kritischer Konformismus"). "Beflissen" steht für "bemüht", "fleißig", "eifrig" "emsig" und "strebsam" und ebenso für "gefällig", "dienstfertig" und "pflichtbewusst" sowie auch für "versessen" und "übereifrig". Krankhafte (zwanghafte) Beflissenheit in Bezug auf Konformität bezeichnet man als narzisstische Normopathie (siehe separate Ausführungen dazu).

 

Der "Beflissene" befolgt emsig die Anweisungen dessen, dem er gefällig ist bzw. dem er vertraut - und dem er sich unterordnet (oder ausliefert). Bei fast allem, was er aufmerksam und fleißig tut, ist der Beflissene (zumeist unbewusst) letztendlich nicht für sich selbst, sondern immer für andere (z.B. das Kollektiv) tätig bzw. "eifrig". Insofern ist der Beflissene der ideale "Untertan" und repräsentiert einen Persönlichkeit-Typus, der dem sozialen Einfluss, insbesondere dem Einfluss von Autoritäten ganz besonders unterliegt.

 

Die Motive des Beflissenen sind Korrektheit und Anerkennung - stets im Hinblick auf Lob, Auszeichnung und / oder Beförderung. Hier kommen neben Konformismus und Normopathie folglich narzisstische Motive ins Spiel (siehe narzisstische Normopathie).

 

Der beflissene Konformist hinterfragt nicht; er konsumiert emsig und vertrauensvoll das, was ihm vom Kollektiv bzw. von Autoritäten (bzw. seinem "Herrn und Meister"), die er nicht hinterfragt, vorgesetzt bzw. vorgegeben wird. Entsprechend selektiv ist seine Wahrnehmung, entsprechend eng sein Horizont und Wahrnehmungsfeld, das sich nach dem ausrichtet, was Autoritäten (z.B. Medien) als (einzig) "korrekt" darstellen.

 

Regeln - und seien sie auch noch so unsinnig und sinnlos oder gar schädigend - ordnet er sich unter und befolgt sie. Besonders gravierend ist dies bei Normopathen der Fall.

 

Dabei erwartet der beflissene Konformist, dass auch Andere sich entsprechend (mit) anpassen und/oder unterordnen. Wer dies nicht tut, wird von den Beflissenen geächtet, angeschwärzt und bekämpft, wodurch er Beflissene zum einen Macht demonstrieren und sich selbst aufwerten kann  (durch die Macht, die hinter ihm steht bzw. der er sich unterordnet und emsig fügt). Insbesondere narzisstische Normopathen unter den beflissenen Konformisten können sich den sog. Autoritäten bzw. dem Kollektiv zugleich "ehrenvoll" unter "Beweis" stellen und sich "treu" ergeben zeigen.

 

Daher fühlen sich beflissene Konformisten zu sozialer Kontrolle verpflichtet und betätigen sich gern direkt oder indirekt als Denunzianten und / oder Blockwarte, während sich narzisstische Normopathen sogar gerne als Ankläger in Szene setzen, um vermeintliche Anerkennung zu erhaschen.

 

Zudem sind sie typische Mitläufer: Der Typus des "Beflissenen" bzw. des beflissenen Konformisten folgt jedem Trend - auch in sprachlicher Hinsicht z.B. im Hinblick auf die Nutzung bzw. das Nacheifern (Nachplappern) bestimmter Floskeln und Phrasen sowie wichtig klingender Anglizismen - selbst dort, wo es sich um kein typisch englisches Wort handelt.

 

Den "Beflissenen" erkennt man an der - nicht selten demonstrativ zur Schau gestellten - sprachlichen Anpassung und an übernommenen Sprach-Stereotypen: So übernimmt der beflissene Konformist gerne entsprechendes Trend-Vokabular aus Politik und Werbung, das er quasi kopiert und nachspricht. Bei narzisstischen Normopathen ist dieses Nachplappern und Wiederholen von Floskeln und Phrasen besonders stark ausgeprägt.

 

Verhaltensweisen und bestimmte Kleidungsstile kopieren beflissene Konformisten ebenfalls. Zum Spracheifer der Beflissenen nachfolgend noch ein kleiner Auszug zum Thema aus der Kommunikationspsychologie:

 

"Papageiensprech" & "Sklavensprech"

Von sogenannten Autoritäten (z.B. Medien)  vorgegebene oder vorgelebten Floskeln und Phasen werden ohne Hinterfragung von Sinnhaftigkeit, Logik, Richtigkeit und Wahrheitsgehalt einfach nachgeplappert, seien sie auch noch so dümmlich, falsch und unlogisch. Über den Alltags-"Kanal" des Papageien-Sprechs können Botschaften viral verbreitet werden, sich so ausgezeichnet etablieren und sich in den Köpfen der Wenig-Denker einnisten und festsetzen.

 

Daraus bildet sich eine neue Schein-Wahrheit. Das Nachplappern von (Werbe-)Slogans und von Storys aus dem systemischen Storybuilding zählt ebenfalls dazu wie das Priming von Floskeln und Phrasen. Die auffällige Nutzung des "Papageiensprechs" durch sogenannte "Papageien-Menschen" wird wie beim "Nachäffen" oft mit Dummheit assoziiert und in der Deutung als intellektuelle bzw. geistige Einschränkungen und massive Anpassung mit Hang zur Nachahmung interpretiert.

 

Besonders stark zeigt sich der Nachahmungsdrang in der regen Nutzung von (zumeist politisch-medial oder marketingtechnisch vorgegebenen und entsprechend geprimten) Floskeln und Phrasen, die ohne Hinterfragung einer Notwendigkeit oder Sinnhaftigkeit - geradewegs ohne Sinn und Verstand - "nachgeplappert" werden. In diesem Kontext spricht man von der sogenannten "Fütterung" (zwecks Erhaschen von Anerkennung von vermeintlich Gleichgesinnten).

 

Der Begriff des sogenannten "Sklavensprechs" ist angelehnt an dystopische Vorbilder und wird als solches bezeichnet, weil die Benutzer offenbar ihr Gehirn ausschalten und lediglich Vorgaben (letztendlich demütig) nachleben - und sich damit - im übertragenen Sinne aber eben auch in der Realität - quasi zu "Leibeigenen" machen.

Abzugrenzen ist das Sklavensprech von der sogenannten "Sklavensprache". Zur Info: "Sklavensprache" ist der Titel des Werkes "Subversive Schreibweisen in der Lyrik der DDR 1961-1976" aus der Reihe: Europäische Hochschulschriften / European University Studies / Publications Universitaires Européennes von Karl-Heinz Wüst. "Sklavensprache" ist ebenso der Titel einer Glosse zur "Reichskristallnacht" (aus: die feder - Zeitschrift der Deutschen Journalisten-Union, November 1982).

 

Hintergrund: "In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen, wurden Geschäfte und Wohnungen jüdischer Mitbürger geplündert, wurden Juden drangsaliert, verhaftet und ermordet. Mit der "Reichskristallnacht" begann ein neuer Abschnitt der Judenverfolgung, der in den wenig später errichteten Massenvernichtungslagern gipfelte. Neu waren nicht nur das Ausmaß und die Brutalität der planmäßig inszenierten Pogrome. Neu war auch die Schamlosigkeit, mit der hier der Nationalsozialismus sein Programm der Unmenschlichkeit auf offener Straße verkündete..." (Quelle: udo-leuschner.de)

Der Mitläufer

Im Allgemeinen werden als Mitläufer Personen bezeichnet, die sich einer Gruppierung, Bewegung oder Strömung anschließen oder Autoritäten (automatisch / blind) folgen ohne sich selbst wirklich zu engagieren.

 

Beflissene sind klassische Mitläufer, die sich aber emsig engagieren, weshalb man bei diesem Typus dann von einem beflissenen Mitläufer spricht - und dieser Typus ist - auf eine Gesellschaft sowie die Entstehung und Aufrechterhaltung totalitärer Systeme bezogen - geradewegs brandgefährlich. Ansonsten wird im Rahmen des sozialen Einflusses - insbesondere in Bezug auf den Einfluss von Autoritäten und das Phänomen der Pluralistischen Ignoranz im Prinzip jeder Mensch (als "schwarmintelligentes" "Herdentier") zum Mitläufer (siehe z.B. Milgram Experiment). 

Während ein normaler Mitläufer alles passiv geschehen lässt oder einfach mitmacht, ohne dabei für sein Verhalten Rechenschaft abzulegen oder Verantwortung zu übernehmen, übernehmen beflissene Mitläufer eine wichtige Rolle. Sie sind quasi die Vorarbeiter und Beispielgeber der Mitläufer. Aus ihrem Zusammenwirken kann sich eine Massenpsychose entwickeln, die ähnlich wirkt wie eine Wahn-Symbiose.

 

Eine Massenpsychose bezeichnet psychotische Verhaltensweisen von Menschen in einer Massensituation, wobei vernunftgesteuertes Verhalten durch induziertes irrationales, möglicherweise wahnhaftes Verhalten ("Massenwahn") ersetzt wird und realitätsgerechte Ich-Funktionen aufgegeben werden. Ein wesentlicher Auslöser einer Massenpsychose ist die Angst z.B. die Angst vor dem Höllenfeuer, die Angst vor Hexen und Dämonen, die Angst vor dem jüngsten Gericht, die Angst vor Plagen, die Angst vor Naturkatastrophen, die Angst vor dem Weltuntergang, die Angst vor Krankheiten usw.

 

Hintergrundwissen: Einfluss von Autoritäten - Das Milgram-Experiment

Autoritäten (Institutionen, Politiker, Medien, Lehrer, Prominente, vermeintliche Experten) haben zusätzlichen starken Einfluss auf unsere Urteile und unser Verhalten. Das zeigte u.a. das berühmt berüchtigte Milgram Experiment (1963).

 

In diesem Experiment erhielten Versuchspersonen die Möglichkeit, andere angebliche Versuchspersonen, die jedoch in Wahrheit Verbündete des Versuchsleiters waren, für falsche Aufgabenlösungen mit Elektroschocks zu bestrafen, wobei der Versuchsleiter als Autoritätsperson befahl, das Elektroschock-Level stetig weiter (von 15 - 450 Volt) zu erhöhen. Trotz offensichtlicher verbaler Leidens-Äußerungen der Opfer (z.B. Schmerzens-Schreie) bestand der Versuchsleiter weiter darauf, mit der Bestrafung und der Erhöhung der Volt-Zahl fortzufahren.

Das Ergebnis: Obwohl die gespielten Opfer - offensichtlich unter Schmerzen leidend - baten, das Experiment abzubrechen und den Versuchspersonen sowohl die Qual an sich, als auch die Gefahr von Verletzungen (bis zur Todesfolge) durchaus bewusst war, fuhren 80 % der Versuchspersonen mit der Elektro-Schockgebung stetig weiter fort. 62,5 % der Versuchspersonen schreckten nicht einmal davon ab, den höchstmöglichen Schock (450 Volt) zu verabreichen.

 

Variationen des Experimentes zeigten, dass sich dieses Verhalten ändert, wenn zwei andere Versuchspersonen sich weigern, mit der Schockgebung fortzufahren. In diesem Fall verabreichen nur noch 10 % der Versuchspersonen den maximalen Schock. Wenn der Versuchsleiter den Raum verlässt und stattdessen eine andere Versuchsperson darauf drängt, mit der Schockgebung fortzufahren, geben nur noch 20 % der Versuchsteilnehmer den maximalen Schock. Hier fällt die Experten-Wirkung ins Gewicht. Wer wie ei  Experte wirkt, beeinflusst das Verhalten der anderen. Interessant ist auch: Wenn die Versuchspersonen das Schock-Level frei wählen dürfen, geben nur 2,5 % den maximalen Schock. Dies zeigt, dass ein natürlicher Aggressionstrieb nicht ursächlich war.

 

Die Beeinflussung durch Autoritäten ist am stärksten, wenn alle anderen auch gehorchen, die Autoritätsperson einen Experten-Status hat und wenig bis keine Zeit zum Nachdenken besteht. Kommt Angst dazu, dann wirkt sich der Einfluss besonders stark aus, so dass (vermeintlichen Autoritäten) dann oft blind vertraut wird. Weil man in kleinen Schritten immer mehr gehorcht, zeigt auch die Beeinflussung durch Autoritäten in kleinen Schritten eine große Wirkung, weil es nach der Theorie der Kognitiven Dissonanz nach jeder einzelnen Entscheidung zur Selbstrechtfertigung kommt. Aufgrund dieser Einzelentscheidung entsteht ein Kreislauf, der nicht mehr selbst kontrollierbar ist.

In Bezug auf den sozialen Einfluss nehmen die Massenmedien den wohl größten Stellenwert ein (Details

 

Hintergrundwissen: Mitläufereffekt

Der Mitläufereffekt (auch Musikwagen-Effekt oder Bandwagon-Effekt“) ist ein Kommunikationseffekt, der beschreibt, dass Menschen ihr Verhalten am von ihnen wahrgenommenen Umfeld ausrichten. Das Motiv dahinter: Der Mensch möchte dort sein, „wo die Musik spielt" (Sozialer Einfluss). Ein typisches Beispiel für den Mitläufereffekt ist der - bei Konsumenten zu beobachtende - Preiseffekt. Insbesondere jene Menschen, die sich als Teil eines Kollektivs verstehen und / oder Teil eines Kollektivs sein möchten, richten ihr Verhalten – ggf. unbewusst – nach dem Mitläufereffekt aus. 

 

Hintergrundwissen: 
Zuschauer Effekt / Bystander-effect / non-helping-bystander effect / Genovese Syndrom

Der "Zuschauer Effekt" bzw. "bystander effect", der auch als "non-helping-bystander effect" oder "Genovese-Syndrom" bezeichnet wird, beschreibt das Phänomen, dass einzelne Augenzeugen eines Unfalls oder eines kriminellen Übergriffes insbesondere dann mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit eingreifen bzw. Hilfe leisten, wenn weitere Zuschauer (engl. bystander „Dabeistehende“) anwesend sind.

 

Der Einzelne überträgt die Verantwortung an das Kollektiv. Niemand möchte den ersten Schritt tun. Der Einzelne möchte sich nicht blamieren bzw. sich vor den anderen lächerlich machen. Alternativ ist der Einzelne auch zu bequem, den ersten Schritt zu tun oder er traut sich von seinem Kompetenz-Empfinden nicht zu, zu handeln. Die individuellen Gründe liegen in der individuellen Persönlichkeit. Der Effekt selbst wirkt aber unabhängig (!) davon. Er basiert auf dem Effekt des sozialen Einflusses. Dieser Effekt führt dazu, dass das eigenständige Denken und Handeln ausgeblendet wird und sich dem tatsächlichen oder nur vorstellten Denken und Verhalten der Gruppe unterstellt.

 

Der Begriff „Genovese-Syndrom“ basiert auf dem Namen von Kitty Genovese, einer US-Amerikanerin aus New York City, die 1964 auf dem Weg zu ihrem Wohnhaus einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Der Anschlag auf  Kitty Genovese zog sich über etwa eine halbe Stunde hin und geschah an verschiedenen Orten. Mindestens 38 Personen aus der Nachbarschaft beobachteten den Überfall, ohne dass der jungen Frau irgendjemand zu Hilfe kam. Der Mord an Kitty Genovese veranlasste die Psychologen John M. Darley von der New York University und Bibb Latané von der Columbia University das Nichteingreifen der Zeugen wissenschaftlich zu untersuchen. Als Hauptursachen des Verhaltens identifizierten die Forscher die Aufteilung der Verantwortung sowie Pluralistische Ignoranz. Die Forschungsarbeiten von Darley und Latané motivierten zu vielen weiteren sozialpsychologischen Studien über prosoziales Verhalten. Forschungen, welche die Ursachen für das Phänomen der unterlassenen Hilfeleistung untersuchen, betonen die starke Bedeutung von Gruppenprozessen und Gruppendynamik.

Der Opportunist

Als Opportunist gilt jemand, der sich aus Nützlichkeitserwägungen schnell und bedenkenlos der jeweils gegebenen Lage anpasst, jemand der bei und durch seine Anpassung zweckmäßig handelt, um einen Vorteil daraus zu ziehen oder um Nachteile zu vermeiden. Sie sind wie das sprichwörtliche "Fähnchen im Wind" und passen sich an, je nachdem von welcher Richtung der Wind gerade bläst. Mit politischem und sozialem Bezug wird Opportunismus als charakterloses Verhalten beschrieben.

 

"Es gibt sie in jeder Diktatur, jene willfährigen Mitläufer an der Grenze zur Mittäterschaft, die den eigenen Vorteil zum Maßstab ihres Handelns machen". (Neue Zürcher Zeitung / 2007)

Der Bestimmende-Kontrollierende

Der Bestimmende-Kontrollierende vereinigt Eigenschaften des Vernünftigen und des Beflissenen und ist der Gegenpart zum klassischen Mitläufer und Opportunisten. Die Stärken bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten sind Struktur, Planung, Selbstkontrolle und Klarheit. Bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten sind (jedoch) bestrebt, ihre Umwelt inklusive der Mitmenschen zu lenken und kontrollieren.

 

In Anpassung an gesellschaftliche Normen stellen sie Regeln auf und fordern von ihren Interaktionspartnern, diese einzuhalten, um sich vor unvorhergesehenen Überraschungen, Chaos und Kontrollverlust zu schützen. 

 

Das Verhalten bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten geht nicht selten einher mit negativen Denkmustern und einer gewissen (normopathen) Zwanghaftigkeit, die sie (bis hin zur Wahn-Symbiose) auf ihr Umfeld übertragen. Bei bestimmenden-kontrollierenden Konformisten handelt es sich oft um narzisstische Normopathen (siehe spätere separate Ausführungen dazu).

 

Wie bei sogenannten Wohlstands-Psychopathen - eine weitere Unterform der narzisstischen Persönlichkeitsstörung - geht das Verhalten bestimmender-kontrollierender Konformisten mit einem bestimmenden-kontrollierenden kommunikativen Gesprächsstil (siehe Kommunikationsstile nach F. Schulz von Thun) einher, was für eigenständig denkende und individualistische Persönlichkeiten extrem anstrengend - bis schier unerträglich und krank machend - sein kann.

 

Ebenso kann das Verhalten bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten mit Eifersucht und Redseligkeit in Form von lautem Denken einhergehen, welches für das soziale Umfeld über entsprechendes Priming ebenso extrem anstrengend, stressig und krank machend sein kann. 

 

Menschen mit einer  bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeit sind als Kind mit strengen Regeln erzogen und diszipliniert worden. Sie haben gelernt, alle inneren Impulse streng unter Kontrolle zu behalten, um nicht bestraft zu werden. Sie sind zur Überzeugung gelangt, dass nur durch Selbstdisziplin und strikte Regelüberwachung das innere und äußere Chaos vermieden werden kann. Dies übertragen sie dann später auf andere, da sie sich selbst sonst nicht sicher fühlen.

 

Persönlichkeiten mit bedürftig-abhängigen oder selbstlosen Tendenzen sowie sogenannte Mitläufer und Opportunisten begrüßen die Bestimmtheit und Kontrolle sowie die klaren Aussagen des Bestimmenden-Kontrollierenden, egal in welche Richtung dies geht. Dessen Bestimmtheit und Verlässlichkeit gibt ihnen Sicherheit. Allerdings werden sie auch immer abhängiger von ihm.

Wünscht sich der Interaktionspartner des Bestimmenden-Kontrollierenden dagegen Freiheit und Eigenverantwortung, wird er gegen die strengen Regeln des Bestimmenden-Kontrollierenden rebellieren und bestrebt sein, sie zu brechen, was sich zu einem regelrechten Teufelskreis entwickeln kann, da der Bestimmende-Kontrollierende auf diesen Regelbruch mit noch strengeren Regeln und Verboten reagieren wird (siehe z.B. „strenge“ Eltern vs. „rebellische“ Kinder).

 

Um die Kontrolle über andere nicht zu verlieren, können bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten auch zu Lügen bis hin zur Pseudologia phantastica greifen. Dabei können Lügengebilde entstehen, welche die Betroffenen selbst gar nicht mehr realisieren, da der Zweck die Mittel heiligt, um die Kontrolle über Andere zu behalten. Die Pathologie des Geschehens wird als solche nicht als solche wahrgenommen. Daraus kann sich eine regelrechte pseudologische Störung entwickeln.

 

Um die Kontrolle über ein ggf. rebellierendes Umfeld zu behalten und an dem sich Widersetzen des Umfelds nicht zu verzweifeln, können die Betroffenen sich selbst krank stellen oder ihr Umfeld für krank erklären. Eine besondere Form der Pseudologia phantastica ist das Münchhausen-Syndrom, bei dem körperliche Beschwerden erfunden und durch Lügen untermauert werden, um die entsprechende Aufmerksamkeit zu erheischen und das eigene Umfeld zumindest über Mitleid bestimmen und kontrollieren zu können. Von einem Münchhausen-by-proxy-Syndrom spricht man, wenn der Bestimmende-Kontrollierende anderen eine Krankheit einredet oder anderen Schaden zufügt, um die Kontrolle über diese zu behalten. 

 

Das Wirkungsprinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion besteht bei bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeiten darin, Menschen, die sich der Kontrolle entziehen oder sich widersetzen zu wollen, für abnorm zu erachten und erklären, um von der eigenen Abnormität der Persönlichkeit abzulenken und / oder an der möglichen Erfolglosigkeit des eigenen Bestimmungs- und Kontrollbestrebens nicht zu verzweifeln.

 

Rebellierende Kinder werden z.B. zum Psychiater geschickt, während "unkontrollierbar" erscheinende oder "sich widersetzende" Artgenossen früher z.B. der Inquisition gemeldet oder in (Umerziehungs)-Lager gesteckt wurden, um die Kontrolle über das was vermeintlich "richtig" bzw. "korrekt" (auch "politisch korrekt") erscheint, nicht zu verlieren und die für die eigene Persönlichkeit selbst unerträglich erscheinenden kognitive Dissonanzen für sich selbst tunlichst zu verringern. 

 

Damit der Bestimmende-Kontrollierende nicht einem einengenden Kontrollzwang unterliegt, sollte er versuchen, Mut zu Flexibilität, Offenheit und Vertrauen in andere zu entwickeln. Alternativ kann sich eine Kontrollstörung bzw. eine Normopathie entwickeln, die sowohl für den Bestimmenden-Kontrollierenden als auch für dessen soziales Umfeld sehr anstrengend und schädlich sein kann.   

 

Eine Sonderform bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten sind sogenannte Wohlstands-Psychopathen: Hier kommen Starrsinn, übertriebene Außenwahrnehmung bzw. übertriebenes Verhalten nach außen hinzu. Eigene Probleme werden auf die Umwelt projiziert, eigene Gefühle, Wünsche, Begehrlichkeiten und Vorurteile werden anderen unterstellt und fälschlicherweise als real angenommen.

 

Es kommt zur Verdrehung von Tatsachen: Andere werden für die Umstände eigener Probleme verantwortlich gemacht (siehe "Umkehr"). Innere Spannungen werden offen an anderen abreagiert. Alternativ gibt es eine stille bzw. "stumme" Vorwurfshaltung. 

 

Andere werden für die Umstände eigener Probleme verantwortlich gemacht, ebenso für die Schwächen und Fehler der eigenen Person. Hinzu kommt die völlige Ausblendung und / oder Umdeutung der Realität in Bezug auf unangenehme Tatsachen, die zu kognitiven Dissonanzen führen könnten. Die sonst üblichen selbstwertdienlichen Verzerrungen im Rahmen des Wirkungsprinzips der Kognitiven Dissonanz Reduktion wirken bei Wohlstands-Psychopathen derart stark, dass es zu einer regelrechten 1:1 Umkehrung von Fakten und Tatsachen (Umkehr)  - und damit der Realität kommen kann. Siehe dazu auch Defensive Attribution und Verleugnung der Realität.

Der Normopath (Normopathie)

Normopathie ist eine Persönlichkeitsstörung, die zu den anankastische (zwanghaften) Persönlichkeitsstörungen zählt und  gemäß ICD-10 unter F60.5 klassifiziert wird. Normopathie bezeichnet eine zwanghafte Form von Anpassung an vermeintlich vorherrschende und normgerechte Verhaltensweisen und Regelwerke innerhalb von sozialen Beziehungen und Lebensräumen. Ein treibendes Moment hierbei ist das übersteigerte Streben nach Konformität bei gleichzeitiger Unterordnung bzw. Aufgabe der eigenen Individualität.

 

Normopathie führt zu unterschiedlichen Beschwerdebildern und Symptomatiken, die sich zu einem pathologischen Geschehen ausweiten können, bei dem gesellschaftliche Fehlentwicklungen nicht mehr hinterfragt oder gar erkannt werden  können. Die unbedingte Überanpassung an sozio-kulturelle Normen wird damit zur Krankheit.

 

Da im Prinzip der Wunsch nach Normalität nicht als krankhaft, sondern eher als eine gesunde Einstellung gilt, wird die Pathologie des Geschehens mit ihrer häufig somatoformen Symptomatik oft nicht als solche wahrgenommen.

 

Aus Angst vor Ablehnung oder Strafe wenden sich Normopathen von sich selbst ab und verschmelzen mit den Normen und Vorgaben, die von anderen (Staat, Gesellschaft etc.) vorgegeben werden und denen sie bis zur Selbstaufgabe blindlings folgen.

 

 

Der narzisstische Normopath - Narzisstische Normopathie

Bei der narzisstischen Normopathie ist der Drang zur Anpassung überaus groß. Narzisstische Normopathen streben bei Ihrer Anpassung an, eine Vorbildfunktion in Sachen Anpassung / Unterwerfung einzunehmen. Sie neigen dazu, überkorrekt und überkonform zu sein. Auch hier besteht das Problem in der Entfremdung vom echten Leben, zusätzlich aber auch in der demonstrativen Gängelung weniger konformer Menschen, über die sich narzisstische Normopathen demonstrativ erheben, um sich selbst als Vorbild zur Schau zu stellen.  

 

 

Ihre übereifrige Anpassung dient ihnen zur demonstrativ zur Schau gestellten Selbstaufwertung und hält sie erfolgreich davon ab, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen zu müssen. Denn davor haben sie Abscheu und Angst. Narzisstische Normopathen übertragen ihr Leid lieber auf andere, die nichts dafür können.

 

Sie unterdrücken sie, werten sie ab, erheben sich über sie, verspotten sie, schließen sie aus und spielen Henker oder Richter, nur um unser falsches Selbst nicht zu verlieren. Auch bei narzisstischen Normopathen wird das Falsche bzw. der Irrtum nicht mehr erkannt. Eine solche Überanpassung ist zugleich ein Grund für andere psychische Erkrankungen, die mit dem besagten Störungsbild einhergehen. 

Kollektivisten & Massenpsychosen

Kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten und deren Subtypen sind besonders anfällig für sogenannte Wahnsymbiosen und darüber hinaus die Hauptträger einer sogenannten "Massenpsychose" und "Massenhysterie", gegen die Individualisten nahezu immun sind, obgleich letztere letztendlich dann zu den Hauptopfern einer Massenpsychose zählen.

Infos zum Thema Massenpsychose / Massenhysterie finden Sie hier: