Wissen: Kognitive Dissonanz

und das Wirkungsprinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion 

"Kognitive Dissonanz" ist ein zentraler Begriff der Sozialpsychologie zur Erklärung der immer wieder zu beobachtenden hohen Überstimmung der eigenen Handlungen und des Glaubens, dass diese Handlungen auch gerechtfertigt sind.

 

Der Begriff der kognitiven Dissonanz wurde von dem  Sozialpsychologen Leon Festinger im Rahmen seiner Theorien zum Entscheidungsverhalten von Menschen entwickelt. Festiger hatte in den 1950er-Jahren festgestellt, dass nach einer Entscheidung deren Richtigkeit viel seltener bezweifelt wird als vor der Entscheidung. 

 

Als "Kognitive Dissonanz" bezeichnet man einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand, der dadurch entsteht, dass ein Mensch mehrere Gedanken, Wahrnehmungen, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten hat, die miteinander nicht vereinbar sind. Informationen, Handlungen und Entscheidungen stehen nicht in Übereinstimmung mit den eigenen Überzeugungen, Gefühlen und Wertvorstellungen.

 

Kognitionen sind Gedanken. Zwischen Gedanken, die sich widersprechen, können Konflikte (Dissonanzen) entstehen. Ebenso kann ein Konflikt zwischen den eigenen Zielen und Wünschen und dem tatsächlichen Verhalten entstehen.  Derartige Konflikte werden als "unangenehm" oder als "Belastung" empfunden. Daher versucht der Mensch Kognitive Dissonanzen zu vermeiden oder zu überwinden werden. 

 

Beispiele für kognitive Dissonanz:

 

Beispiel 1:

Jemand kauft sich eine teure Jacke, weil er sie toll fand und er sich etwas gönnen wollte. Später merkt er, dass die Jacke eigentlich viel zu teuer war und/oder er sie völlig unnötig gekauft hat, da er kaum Gelegenheit hat, sie überhaupt irgendwo zu tragen.

 

Beispiel 2:

Jemand geht einem Job als Verkäufer/Vertriebler nach, fühlt sich aber in dieser Rolle wie ein Betrüger, der Kunden schlechte

Ware andreht.

 

Beispiel 3:

Jemand macht etwas genau so wie er es (früher) (z.B. von seinen Eltern) gelernt hat und es früher vielleicht sogar richtig war, erntet damit aber keinen Erfolg, sondern nur Misserfolg und/oder Ärger.

 

Beispiel 4:

Jemand hilft anderen Menschen, bekommt dafür jedoch keine Anerkennung

 

Beispiel 5:

Jemand erhält woanders (z.B. im Ausland) große Anerkennung, jedoch nicht (oder weniger) im eigenen Umfeld (z.B. Familie, Freunde, Inland)

 

Kognitive Dissonanzen können auch dann vorliegen, wenn jemand Informationen bekommt, die ihn als dumm oder unmoralisch dastehen lassen und ihm dies peinlich ist. Kognitive Dissonanzen treten unter anderem auf, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, obwohl es durchaus attraktivere Alternativen gab, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die sich nachfolgend als Fehlentscheidung herausstellt, wenn einem bewusst wird, dass eine begonnene Sache anders ist als eigentlich erwartet, wenn man bedeutende Anstrengungen auf sich genommen hat, um dann lediglich festzustellen, dass das erreichte Ziel oder man selbst den Erwartungen nicht gerecht wird oder wenn man sich konträr zu seinen Überzeugungen verhält, ohne dass es dafür eine logisch nachvollziehbare Rechtfertigung gibt.

 

Die Theorie der kognitiven Dissonanz 

Fast alle Menschen streben danach, ein stabiles und positives Selbstbild zu haben. Bekommen Sie Informationen darüber, dass ihr Verhalten nicht ihrem Selbstbild entspricht, dann besteht die Gefahr der kognitiven Dissonanz. Das Selbstbild der eigenen Kognitionen (die bewusst erlebten und geglaubten Prinzipien des eigenen Handelns) gerät in Konflikt mit den als gültig übermittelten Tatsachen des Lebens. Zwei Kognitionen stehen hier in einem Konflikt zueinander: Die Kognition, die das stabile Selbstbild repräsentiert, und die Kognition, die das eigene Verhalten wahrnimmt.

 

Wahrnehmung und Weltbild 

Kognitive Dissonanz hat viel mit unserer Wahrnehmung, unserem Weltbild, unserer eigenen Überzeugung und unserem Glauben zu tun. Nicht immer stimmt das, was wir glauben bzw. das, wovon wir überzeugt sind, mit dem, was wir daraus resultierend erwarten überein. Manchmal müssen wir gegen unseren alten Glauben und gegen eigene Überzeugungen angehen und unser Handeln anpassen, um weiter zu kommen, um Ziele zu erreichen, um Erfolge einzufahren. Nicht immer passen wir aber unser Denken an, was an eingefahrenen bzw. festgefahrenen Denkmustern liegt. Das können wir spätestens anhand unserer Gefühle bemerken z.B. wenn wir uns nicht wohl fühlen, bei dem, was wir da (ggf. anders oder gegen unsere eigentliche Überzeugung) tun. Kurz gesagt: Das, was man tut stimmt nicht mit dem, was man dabei eigentlich denkt und fühlt überein. 

 

Ist die Übereinstimmung von dem, was man tut und dem, was man eigentlich denkt und fühlt, längerfristig nicht vorhanden, kann dies entweder zu einer dauerhaften Änderung von Einstellungen und Verhalten führen oder (bei einer starken Ausprägung) das eigene Selbstkonzept, das eigene Weltbild und unsere bestehenden Glaubenssätze leidvoll in Frage stellen.

 

Das Vorliegen einer Kognitiven Dissonanz bedingt, dass a) Verhalten und Einstellung tatsächlich als widersprüchlich empfunden werden, b) das Verhalten aus freien Stücken erfolgte, c) eine körperlich (je nach Stärke der Dissonanz unterschiedlich) spürbare Erregung eintritt und d) das Verhalten in einem schlussfolgendem Zusammenhang mit der Erregung steht.

 

 

Lösung kognitiver Dissonanzen: Gute und schlechte Lösungen


Problemlösung und Perspektivenwechsel

Eine Kognitive Dissonanz kann am besten gelöst werden, indem das eigentliche zugrundeliegende Problem gelöst wird. Dies geht zumeist nur, wenn man seinen eigenen Blickwinkel ändert, um die möglichen und ggf. völlig neuen Lösungswege überhaupt erkennen zu können. Wenn natürlich stattdessen lediglich eine Bestätigung gesucht wird, wird ein Perspektivenwechsel eher schwer fallen.

 

Suche nach Bestätigung

Manchmal suchen Menschen selektiv nach möglichst bestätigenden Informationen und finden diese dann auch irgendwo. Manche Menschen suchen zur Lösung kognitiver Dissonanzen nach Bestätigung im eigenen Umfeld. Dabei streben sie sogar intuitiv an, regelrecht belogen zu werden. Tatsächlich können bestätigende Informationen rein faktisch eine Kognitive Dissonanz relativieren und durch den (ggf. auch falschen) Glauben an die bestätigenden Informationen lösen. Das Selbst- und Fremdbild kann dadurch jedoch stark verzerrt werden. Zusätzlich kann sich eine Selbstbild-Fremdbild Inkongruenz einstellen und verfestigen.

 

Phantastische Erklärungen und Umdeutungen

Hinzu kommt das innere menschliche Streben, kognitive Dissonanzen über phantastische Erklärungen und regelrecht wahnwitzige Umdeutungen zu lösen. Hier wirkt der Effekt der kognitiven Dissonanz-Reduktion sowie der Selbstwert-Effekt (bzw. Selbstwertdienliche Verzerrungen). Eine besondere Form derartig wahnwitziger Verzerrungen zur Aufrechterhaltung des Selbstwertes ist die massive externale Fokussierung.

 

Flucht nach außen / Massive externale Fokussierung

In dem wir unseren Fokus auf etwas völlig anderes richten, das möglichst anders, fremd, oder ganz weit weg von uns ist, lenken wir uns von unseren kognitiven Dissonanzen ab und kompensieren diese durch das narzisstisch anmutende Erhaschen von Aufmerksamkeit und Anerkennung in einem ganz anderen Umfeld. Eine solche massiv externale Fokussierung erfolgt häufig bei o.g. Beispiel 5.

 

Manchmal ist dieses Umfeld ein Phantasiegebilde oder eine virtuelle Welt. Manchmal richtet sich der Fokus auf fremde Länder sowie auf Menschen und Tiere, die wir in Not sehen. Je höher die vermeintliche Not anderer ist oder scheint, desto höher die Ablenkung, desto größer die Anerkennung, desto besser das Selbstwertgefühl. Dadurch vergessen bzw. verdrängen wir eigene negative Gefühle uns selbst gegenüber. Anerkennung, die wir im eigenen Umfeld oder im eigenen Land nicht finden, suchen wir dann ganz weit weg.

 

Wir nutzen hilflos oder arm erscheinende Wesen zum Zwecke der Aufwertung des eigenen Selbstwertes und zur Unterdrückung kognitiver Dissonanzen. Insofern sind wir bemüht, unserer eigenes Unwohlgefühl dadurch zu kompensieren, in dem wir anderen helfen oder (insbesondere bei einer vorliegenden Persönlichkeitsstörung) anderen unsere Hilfe geradewegs aufnötigen.

 

Selbsthinterfragung

Eine Dissonanz kann aber auch besser gelöst werden z.B. indem die eigenen Wünsche, Absichten oder Einstellungen hinterfragt, geändert und ggf. aufgegeben werden, damit erreichbare und konfliktärmere Ziele gesteckt werden können. Zusätzlich kann man die Erregung lindern bzw. relativieren, in dem man durch ausgleichende Aktivitäten positiven Eustress aufbaut und negativen Di-Stress abbaut.

 

Herunterspielen und Leugnen

Oft wird jedoch die eigene Erregung auf andere Ursachen zurückgeführt, der Widerspruch heruntergespielt oder sogar als erzwungen dargestellt. Nicht selten werden Dissonanzen geleugnet oder abwertet. Auch dies hilft. Ob dies nun generell sinnvoll ist, sei dahingestellt. Wichtig ist, dass sich etwas ändert. Entweder wird das Verhalten geändert, so dass es zur eigenen Überzeugung passt, oder die Überzeugung wird geändert, so dass sie zum Verhalten passt.

 

Bewusst kontrollierte Nutzung im Coaching sowie im Marketing

Kognitive Dissonanzen können auch bewusst bzw. mit Absicht herbeigeführt werden z.B. gut kontrolliert in einem speziellen Coaching. Das Provokative Feedback Coaching stellt hier eine ausgezeichnete Technik dar,  mit der kognitive Dissonanzen ganz bewusst erzeugt werden z.B. um ein Umdenken zu erreichen und positive Veränderungen herbeizuführen. Auch in der Erziehung sowie im Marketing und im Verkauf bzw. in der Verkaufspsychologie spielen kognitive Dissonanz eine Rolle. Sie werden genutzt, um ein höheres Verkaufsergebnis zu erzielen.

 

Eine bewusst eingesetzte Manipulationstechnik, die auf dem Umgang mit Kognitiven Dissonanzen basiert, ist z.B. der Lowballing-effect, bei dem z.B. nachträgliche Preiserhöhungen von Käufern deshalb akzeptiert werden, weil diese eine vorausgegangene Entscheidung bereits zu sehr verinnerlicht und aufgewertet haben. Auch im Bereich der persuasiven Kommunikation nutzen Manipulatoren den Effekt der kognitiven Dissonanz zum Zwecke der Überredung und Überzeugung sowie zum Zwecke der Einstellungs- und Verhaltensänderung.

 

 

Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler aufgrund kognitiver Dissonanzen

Der Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler aufgrund kognitiver Dissonanzen basiert auf dem Prinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion: Passt unser Verhalten und unser Denken (auch Ansichten, Wert- und Moralvorstellungen etc.) nicht zusammen, erscheint unser Selbstkonzept gefährdet bzw. unser Selbstwert bedroht. Zur Erhaltung unseres Selbstwertes setzt unser Denken oft starke Erklärungs- bzw. Selbstentschuldigungs-Mechanismen in Gang, welche die Realität und ursächliche Zusammenhänge stark verzerren.

 

Hat man z.B. eine im Nachhinein ungünstige Entscheidung getroffen, wertet man die Entscheidung bzw. die Gründe für diese Entscheidung nachträglich um und auf oder schreibt sie irrationalen Gründen und Zusammenhängen zu. Möglich gewesene Alternativen wertet man hingegen ab oder negiert sie im Nachhinein völlig.

Dabei gilt das Prinzip:  Je wichtiger und unumkehrbarer die Entscheidung war,

desto stärker wirkt der Effekt. 

 

Hat man sich seiner eigenen Meinung nach unmoralisch verhalten, tendiert man z.B. dazu, die eigenen Werte im Nachhinein dem Verhalten anzugleichen. Man ändert einfach seine moralischen Werte und umgeht durch diesen "Selbstbetrug", der eine natürliche Fähigkeit darstellt, unser Selbstkonzept aufrechtzuerhalten, die Kognitive Dissonanz und das damit verbundene unangenehme Gefühl.

Das Wirkungsprinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion

Effekt der kognitiven Dissonanz-Reduktion

Das Wirkungs-Prinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion besagt einfach ausgedrückt: Wir denken und reden uns negative Dinge schön, insbesondere solche, die in uns einen gedanklichen Missklang bzw. einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand bzw. einen Widerspruch auslösen.

 

Wenn wir feststellen, dass die Dinge in Wirklichkeit nicht so sind, wie wir uns das eigentlich wünschen und vorstellen (wenn z.B. Informationen, eigene Entscheidungen und Handlungen nicht mit unseren eigenen Überzeugungen, Gefühlen und Wertvorstellungen übereinstimmen und wir daran im Nachhinein nur schwerlich etwas ändern können), interpretieren wir sie einfach um, damit wir nicht durchdrehen und uns wohler fühlen.

 

Dieser nützliche automatische psychologische Mechanismus, der uns selbst die widersprüchlichsten, schlechtesten und schadhaftesten Dinge durch die rosarote Brille sehen lässt und Negatives schön färbt, wurde 1957 von dem US-amerikanischen Psychologen Leon Festinger entdeckt. Seine "Theorie der kognitiven Dissonanz" besagt, dass Gedanken, Meinungen und Wünsche, die einen inneren Konflikt erzeugen auftreten, wenn unsere Gedanken unserer logischen Auffassung bzw. bisherigen Meinung widersprechen. 

 

Passt unser Verhalten und unser Denken (auch Ansichten, Wert- und Moralvorstellungen etc.) nicht zusammen, erscheint unser Selbstkonzept gefährdet bzw. unser Selbstwert bedroht. Zur Erhaltung unseres Selbstwertes setzt unser Denken oft starke Erklärungs- bzw. Selbstentschuldigungs-Mechanismen in Gang, welche die Realität und ursächliche Zusammenhänge stark verzerren. Das Wirkungs-Prinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion führt daher zu Wahrnehmungs-, Denk Beurteilungs-und Beobachtungsfehlern. 

 

Da wir einem inneren Streben nach gedanklicher Harmonie folgen, missachten wir die Feststellung unangenehmer Wahrheiten, interpretieren sie einfach um und entwickeln andere neue Gedanken, welche die unangenehme Realität dann wieder in ein erträgliches, angenehmes oder günstiges Licht rückt. Hat man z.B. eine im Nachhinein ungünstige Entscheidung getroffen, wertet man die Entscheidung bzw. die Gründe für diese Entscheidung nachträglich um und auf oder schreibt sie irrationalen Gründen und Zusammenhängen zu. Möglich gewesene Alternativen wertet man hingegen ab oder negiert sie im Nachhinein völlig. Dabei gilt das Prinzip: Je wichtiger und unumkehrbarer die Entscheidung war, 

desto stärker wirkt der Effekt. 

 

Hat man sich seiner eigenen Meinung nach unmoralisch verhalten, tendiert man z.B. dazu, die eigenen Werte im Nachhinein dem Verhalten anzugleichen. Man ändert einfach seine moralischen Werte und umgeht durch diesen "Selbstbetrug", der eine natürliche Fähigkeit darstellt, unser Selbstkonzept aufrechtzuerhalten, die Kognitive Dissonanz und das damit verbundene unangenehme Gefühl.

 

Beispiele für Dissonanz-Reduktionen:

Wir sprechen eine Person an, die wir ganz toll finden, bekommen aber einen Korb.

Wir sagen uns: "Diese doofe oder arrogante Person (Zicke, Snob etc.). Ich fand sie/ihn eigentlich schon immer doof." oder "Solche bescheuerten Menschen habe ich doch gar nicht nötig." oder "Ich bin halt zu gut. Der oder die weiß das gar nicht zu schätzen."  

 

Wir haben einen Job, der uns nicht gefällt, bleiben aber dort. Wir sagen uns "Woanders ist es auch nicht besser." oder "Arbeit ist nun mal kein Zuckerschlecken." oder "So schlecht ist er ja auch wieder nicht. Anderen geht es noch viel schlechter."

oder "Das Risiko, keinen vergleichbaren Job zu finden, ist einfach zu groß". Wenn wir dennoch nach anderen Job-Perspektiven suchen, finden wir entweder nichts, übersehen Stellen, die zu uns passen oder suchen uns genau wieder jene Art von Job und Unternehmen, die dann später bestätigen werden, dass der eigene Job im Vergleich doch erträglich ist."

 

Ein Unternehmen wird in einer Unternehmensberatung mit den unangenehmen Ergebnissen einer Schwachstellen-Analyse zum Thema Kundenorientierung inklusive den Ergebnissen einer Kundenbefragung und Kunden-Feedback konfrontiert. Anstatt die Dinge zu ändern, sagen die verantwortlichen Führungskräfte des besagten Unternehmens: "Das lässt sich auf unser Unternehmen so doch gar nicht anwenden." oder "Kunden mit einer solchen extremen bzw. ausgefallenen Meinung haben und brauchen wir hier nicht." oder "Wir haben ausreichend viele Bestandskunden. Das kann also so schlimm gar nicht sein." oder "Das ist doch alles nur Theorie und völlig praxisfremd." oder "Das bringt nichts. Wir haben das alles schon selbst versucht." 

 

Wir rauchen, wissen aber zugleich, dass Rauchen krank macht sagen uns "Nicht jeder Raucher wird automatisch krank.", "Es gibt auch Raucher, die 70 Jahre alt werden." und entschuldigen uns: "Es ist einfach sehr schwer, vom Rauchen wegzukommen." oder "Ich rauche gerne. Schließlich muss das Leben auch Spaß machen".

 

Wir kaufen uns ein paar Schuhe, die wir, wie wir im Nachhinein feststellen, eigentlich gar nicht brauchen, weil wir zu Hause bemerken, dass sie nicht wirklich passen oder wir - in der Alltags-Realität angekommen - feststellen, dass wir eigentlich fast nie Gelegenheit haben, derartige Schuhe jemals zu tragen. Wir sagen uns: "Immerhin war es ein Schnäppchen." oder "Man kann nie genügend Schuhe in Reserve haben." oder "Irgendwann ergibt sich doch eine Gelegenheit. Dann werde ich noch froh sein, dass ich sie habe."

 

Phänomen der Rechtfertigung des Aufwands

Das Prinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion wird ergänzt durch das Phänomen der Rechtfertigung des Aufwands. Der Effekt besagt: Je mehr wir in etwas investieren, desto stärker unsere Wertschätzung für das entsprechende Objekt. Dazu kennen wir den Spruch: "Was nichts kostet, taugt auch nichts." 

 

Das Prinzip gilt auch bei der Qualifikations- und Leistungsbeurteilung: Je mehr Bewerber, desto stärker wird ausgesiebt. Je mehr Test- oder Klausur-Teilnehmer, desto besser muss die Note sein. Je stärker der Andrang auf ein bestimmtes Studienfach, desto besser muss der Numerus Clausus (NC) sein. In Wirklichkeit ist natürlich nicht das Fach besser oder anspruchsvoller. Dennoch wird es so empfunden, zumindest von jenen, die dann die härteren Kriterien erfüllt haben. Warum ist das so? a) Weil die Menschen, die den größten Aufwand betreiben (müssen), wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge den größten kognitiven Missklang empfinden und b) das Phänomen der Rechtfertigung des Aufwands wirkt.

 

Kognitiven Dissonanz-Reduktion im Marketing

Eine bewusst eingesetzte Manipulationstechnik, die auf dem Umgang mit Kognitiven Dissonanzen basiert, ist der Lowballing-effect, bei dem z.B. nachträgliche Preiserhöhungen von Käufern deshalb akzeptiert werden, weil diese eine vorausgegangene Entscheidung bereits zu sehr verinnerlicht und aufgewertet haben.

Abwehr gegen Einsicht: "Umkehr"

Ein besonders schrilles "Mittel" der kognitiven Dissonanz-Reduktion ist die sogenannte "Umkehr" - wie dies insbesondere bei psychisch schwer kranken oder bösen Menschen sehr häufig genutzt wird.  

 

Bei bestimmten psychischen Störungen (z.B. der Schizophrenie) erfolgt an Stelle einer Einsicht nicht selten die Umkehr eines Fehlers, eines Problems, einer Diagnose oder Verhaltens-Zuschreibung.

 

Umkehrung bedeutet, dass ein Fehler, ein Problem, eine Diagnose oder eine Verhaltenszuschreibung auf genau die Person oder Personengruppe projiziert wird, welche die Beobachtung, Vermutung oder Tatsache anspricht oder eine eventuell vorhandene Störung/Erkrankung diagnostiziert. Beispiel: "Du bist der Kranke!", "Du musst selber mal zum Arzt!", "Psychiater sind selbst alle krank", "Du liebst mich nicht!", Du musst mich scheinbar hassen.", "Du hast das doch gesagt, nicht ich", "Du machst doch selbst auch XYZ"). 

 

Derartige Konter-Reaktionen sind im Umkehrschluss zugleich wieder ein Indiz für eine etwaige psychotische Störung, zumindest dann, wenn sie wiederholt beobachtet werden können und auffällig ist, dass die Person über keine Einsicht verfügt, was die Bereitschaft zur Kooperation in dieser Hinsicht mit einschließt. Unter anderem tritt die Umkehr von Tatsachen bzw. die Umkehr der Realität bei schweren Psychosen wie der Schizophrenie auf - ebenso bei Wahnzuständen:

Wahnhafte Gedanken, Vorstellungen und Annahmen werden von den Betroffenen gegenüber der Außenwelt so stark verteidigt, dass Zuschreibungen oder Anschuldigungen jeglicher Art zur sogenannten "Umkehr" führen. Das eigene Denkkonstrukt der vom Wahn Betroffenen kann so stark sein, dass sie das, was ihnen von Außenstehenden zugeschrieben wird (der Wahn an sich oder ein bestimmtes Verhalten), in das Gegenteil umkehren und den anderen zuschreiben.

 

Menschen, die vom Wahn Betroffene für krank halten, werden von diesen selbst für wahnhaft bzw. krank gehalten. Menschen, die vom Wahn Betroffene auf ihre wahnhafte Gedanken ansprechen oder sie vom Gegenteil überzeugen wollen, werden für verrückt oder für Feinde gehalten. Wenn wahnhaft Kranken ein negatives Verhalten vorgeworfen wird, werfen sie den anderen negatives Verhalten vor. Aus Opfern werden Täter, aus Helfern werden Angreifer.

 

Interessant ist, dass von einem Wahn Betroffene sämtliche Zuschreibungen fast 1:1 umkehren. Wird ihnen geholfen, versuchen sie den anderen zu helfen. Beleidigen sie andere Menschen, so werfen sie den anderen genau diese Beleidigungen vor. Absprachen, Schuld- und Rechtsverhältnisse werden oft so herumgedreht, dass sie genau gegensätzlich sind. Detail-Infos zum Thema "Umkehr" finden Sie unter Wissen: Umkehr.

 

Stockholm-Syndrom

 

Eine besondere Form der "Umkehr" und der Bekämpfung Kognitiver Dissonanzen zur Aufrechterhaltung des eigenen Selbstwertes ist das Stockholm-Syndrom. Hier kommt es zur Umkehrung bzw. Verdrehung des Täter-Opfer-Verhältnisses zur Vermeidung kognitiver Dissonanzen im Rahmen der Umkehrung der Realität (siehe Realitätsleugnung). Detail-Infos zum Stockholm-Syndrom finden Sie unter Wissen: Stockholm-Syndrom

 

Selbstwert-Effekt

Zu den grundlegenden Motiven von Menschen zählt unter anderem das Bedürfnis, das eigene Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten. Anstatt sich eine falsche persönliche Sicht oder persönliche Fehler und Schwächen zuzugestehen, besteht das Bedürfnis, das eigene Verhalten zu rechtfertigen. Die individuelle Wahrnehmung passt sich dem an. Empfinden also Menschen eine kognitive Dissonanz bzw. eine Bedrohung ihres Selbstwertgefühls, neigen sie zum Zwecke des Selbstschutzes und zur Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls dazu, die Realität in Richtung einer ihrem Selbstbild entsprechenden Logik zu verzerren. 

 

Bei der Selbstwirksamkeitserwartung ist dies ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass die Erklärungsversuche weniger irrational sind, allein deshalb, weil Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung Ursächlichkeiten (z.B. die Schuld an Fehlern, Misserfolgen oder Versagen) nicht ihrer Umwelt zuschreiben. Während beim Selbstwert-Effekt die Tatsachen so verdreht werden, dass z.B. allen möglichen Umständen und Menschen die Schuld an Misserfolgen zugeschrieben - und dadurch die Erkennung eigener Fehler behindert - wird, können Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung an Stelle von irrationalen umweltbezogenen Ursächlichkeitszuschreibungen und paradoxem Verhalten aus Fehlern lernen und - in Verbindung mit weiteren o.g. Komponenten - positive Rückschlüsse daraus ziehen.

 

Selbstwertdienliche Verzerrungen (self-serving bias)
Selbstwertdienliche Verzerrungen zählen ebenfalls zum Wirkungsprinzip der Kognitiven Dissonanz-Reduktion. Auch hier reden wir uns - als unangenehm empfundene - Dinge bzw. Informationen künstlich schön. Detail-Infos zum Thema finden Sie unter Wissen: Selbstwertdienliche Verzerrungen.

    

Selbstwert

Unser Leben wird bestimmt durch den Glauben an den eigenen Selbstwert. Weil wir "sind" und uns wahrnehmen, messen wir uns als Individuum einen bestimmten Wert zu. Diesen Wert wollen wir a) schützen und b) steigern. In der Regel stellen wir den Wert unserer eigenen Person über den der anderen. Bei eigenem Versagen finden wir die abstrusesten (externen) Erklärungen, eigene Erfolge schreiben wir hingegen ausschließlich uns selbst zu. Unsere Selbstwert-Vorstellung beeinflusst und verzerrt unsere Wahrnehmung, führt zu bestimmten (Menschenbild-) Annahmen über uns und andere und darüber hinaus zu bestimmten Erwartungen an die eigene Selbstwirksamkeit (Selbstwirksamkeitserwartung).

 

So ist z.B. der Effekt der Selbstwirksamkeitserwartung - obgleich er zumeist auf einem Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler basiert, ein sehr positiver Effekt. Diesem positiven Effekt stehen verschiedene negativ wirkende Effekte gegenüber. Dazu zählt unter anderem der sogenannte Selbstwert-Effekt. Andere Effekte wie z.B. die Überlegenheitsillusion haben sowohl eine positive als auch eine negative Seite. Wir sollten sie kennen. Dennoch: In einer konkreten Situation, in der einer der Effekte wirkt, werden wir nicht daran denken oder nicht (mehr) daran glauben. Unser Gehirn riegelt ab und stellt die Wahrnehmung um - damit auch unsere Selbstüberzeugung.

 

Auf jeden Fall besteht bei uns Menschen der Hang, sich selbst in einem günstigen Licht zu sehen, sich selbst nach außen in ein günstiges Licht zu stellen und das eigene positive Bild von sich nach innen und außen - unabhängig von der Realität - aufrechtzuerhalten. Um dies zu erreichen, verzerren wir unsere Wahrnehmung und die Realität so, dass sie zur Aufrechterhaltung unseres Selbstwertes passt und unseren Selbstwert möglichst steigert. Die Aufwertung unserer Person macht uns Mut und gibt uns Tatendrang, verleitet uns aber ebenso zu Übermut und Hochmut und lässt und in gewissen Situationen im wahrsten Sinne regelrecht "vor die Pumpe laufen".

 

Die Selbstwertdienliche Verzerrung bezeichnet in der Sozialpsychologie die Tendenz, eigene Erfolge im Zweifelsfall eher inneren Ursachen (z.B. eigene Fähigkeiten) und eigene Misserfolge (z.B. Versagen) eher äußeren Ursachen (z.B. die besondere Situation, die besondere Schwierigkeit einer Aufgabe, negative Umwelteinflüsse oder dem Zufall etc.) zuzuschreiben. Die Verzerrung geht auf kognitive und motivationale Faktoren zurück und fällt,  je nachdem, ob es sich um eine private oder eine öffentliche Situation handelt, anders aus. Es gibt hier zwei unterschiedliche Verzerrungen:

 

Eine, die den Selbstwert steigert (Anspruch auf Verantwortlichkeit für Erfolg) und eine, die dem reinen Selbstschutz dient (Ablehnung der Verantwortung für Misserfolg). Self serving bias (auch als "Egotismus" bezeichnet) ist - unabhängig von einer konkreten Selbstwertbeeinträchtigung - bei allen Menschen vorhanden.

 

Die selbstwertsteigernde Verzerrung basiert zumeist auf kognitiven Faktoren, da der jeweils Handelnde häufig bereits schon vorher eine bestimmte Attributions-Option bereitstellt. Menschen nutzen manipulative Faktoren, um einen zu erwarteten Misserfolg zu verschleiern und dadurch rechtzeitig selbstwertunterstützende Erklärungen für ihr Versagen bereitstellen zu können. Diese "proaktive" Attributionsverzerrung wirkt oft wie eine Selbstbehinderung.

 

Akteur-Beobachter-Divergenz

Handlungen anderer Menschen werden eher mit deren Persönlichkeitseigenschaften, eigenes Verhalten eher mit der speziellen Situation begründet.

 

Kelleys Kovariationsprinzip

Das Wissen darüber, eine Aufgabe normalerweise bewältigen zu können, führt dazu, einen Erfolg auf innere, ein Versagen auf äußere Faktoren zurückzuführen.

 

1. Verteidigung eines stabilen, positiven Selbstbildes

Wird das Ergebnis des eigenen Verhaltens als Scheitern gewertet, dient die selbstwertstützende Verzerrung der Aufrechterhaltung eines stabilen, positiven Selbstbildes. Die kognitive Verzerrung ist ein Mechanismus, welcher der Vermeidung kognitiver Dissonanzen dient z.B. dann, wenn die Einsicht droht, dass selbst bei stärkeren Anstrengungen ein erneutes Versagen nicht verhindern werden kann. 

 

2. Selbstdarstellung / im guten Licht stehen

Der zweite Grund, Ursachen selbstwertdienlich zu attribuieren, ist der Wunsch, sich selbst und anderen gegenüber in einem guten Licht zu erscheinen. Zur Erklärung bzw. Begründung eines Misserfolges bzw. eines schlechten Ergebnisses greifen Menschen dann auf regelrechte Ausreden zurück, die mit der Realität jedoch nichts zu tun haben. Sofern dies bewusst, vorsätzlich und systematisch erfolgt, spricht man von Impression-Management.

 

3. Defensiv-Attributionen

Defensiv-Attributionen dienen der Vermeidung von Hilflosigkeit. Das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht, bestimmten Situationen (bestimmten Krankheiten, Katastrophen, Verbrechen oder der eigenen Sterblichkeit) ausgesetzt zu sein, selbst aber nichts dagegen unternehmen zu können, ist für Menschen derart unerträglich, dass sie sich zum Zwecke der Verteidigung bestimmte Dinge einreden (Bildung von Defensiv-Attributionen) und daran glauben. Derartige Defensivattributionen mildern das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht ab. Wer sich z.B. einredet, dass bestimmte Dinge lediglich bestimmten Menschen zustoßen (z.B. Menschen, die selbst dazu beitragen, etwa weil sie z.B. unvorsichtig oder dumm sind) erzeugt die Illusion, das Auftreten derartiger Ereignisse beeinflussen zu können (Melvin Lerners „Gerechte-Welt-Hypothese“). So geben sich z.B. Opfer einer Gewalttat - um das unerträgliche Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht abzumildern - selbst eine gewisse Mitschuld. Unbeteiligte Außenstehende machen es ihnen gleich: Um sich selbst einreden zu können, sie seien selbst gegen ähnliche Vorkommnisse immun, schreiben sie Opfern automatisch eine Mitschuld zu (sogenannte Opfer-Abwertung).

 

4. Unrealistischer Optimismus

Ein Grund dafür, Erfolge eigener Ursächlichkeit zuzuschreiben, ist der „unrealistische Optimismus“. Die Mehrheit der Menschen glaubt, mehr positive und weniger negative Erlebnisse zu haben als der Durchschnitt.

 

Beispiele:

Nach einer gut bestandenen Prüfung schätzen Schüler und Studenten das Leistungsmaß der Prüfung als „angemessenen" ein. Nach schlechten Bewertungen tendieren sie hingegen dazu, die Prüfung als "unfair" bzw. den Lernstoff oder die Prüfungsinhalte als "nicht repräsentativ" zu bewerten. Geschiedene Ehepartner tendieren stets dazu, die Schuld am Scheitern der Ehe dem anderen Partner zuzuschreiben. Bei militärischen Misserfolgen schreiben die Befehlshaber ihr Versagen bzw. ihre Niederlage oft nicht ihrer eigenen Strategie und Befehlsgebung, sondern ihren Soldaten und allen möglichen äußeren Umständen zu (Übermacht des Feindes, schlechtes Wetter, Versorgungslage etc.). Bei wirtschaftlichen Misserfolgen ihres Unternehmens geben Manager eher den Mitarbeitern, der Marktlage oder externen Unternehmen (Konkurrenten und Zulieferern) die Schuld, während Mitarbeiter dazu tendieren, nicht sich, sondern der Unternehmensführung die Schuld zuzuschreiben. Menschen empfinden Lohnerhöhungen dann als fair, wenn sie - unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistung - mehr Geld als ihre Kollegen bekommen. Ebenso fühlen sich Menschen besser, wenn sie - unabhängig von der Höhe ihres Einkommens - auf jeden Fall mehr verdienen als andere, die sie kennen. Eine entsprechende Studie hat aufgezeigt, dass Probanden ein niedriges Gehalt, das jedoch deutlich höher war als das ihrer Kollegen, gegenüber einem hohen Gehalt, das alle Mitarbeiter bekamen, bevorzugten. Weiterhin haben selbstwertdienliche Verzerrungen auch einen großen Einfluss auf Beziehungen: Wir mögen und schätzen Menschen mit gleichen Ansichten und gleichem Ansehen mehr als andere.

  

Social-Cognition-Effekt

Zu den Bedürfnissen von Menschen gehört auch das Bedürfnis nach Korrektheit. Die Richtigkeit der eigenen Verstandes-Logik aufrechtzuerhalten, ist ein regelrechtes Grundmotiv, ohne das Menschen an sich selbst, ihrem Verstand und ihrem Weltbild zweifeln. Schließlich geht jeder Mensch naiv davon aus, dass er sich und seine Umwelt realistisch und richtig einschätzt. Bei der Beobachtung und Wahrnehmung setzt der Mensch daher gezielt kognitive Ressourcen ein, um die ihm zur Verfügung stehenden Informationen so zu ordnen und zu interpretieren, dass sie seiner eigenen Logik möglichst nicht widersprechen. Entstehen Widersprüche, werden die - aus der mit dem eigenen Verstand und Weltbild disharmonierenden Wahrnehmung resultierenden - Denkprozesse eingestellt und / oder so umgeleitet oder uminterpretiert, dass sie dem eigenen Weltbild entsprechen. Insofern suchen, verarbeiten und interpretieren wir (auch selektiv) bestimmte Informationen, um bestimmte Urteile und Entscheidungen zu treffen. Dies bezieht sich sowohl auf das unbewusste automatische Denken, als auch auf das bewusst kontrollierte rationale und schlussfolgernde Denken.

 

Überlegenheitsillusion / Lake Wobegon-Effekt / Dunning Kruger Effekt / Gott-Komplex

Die Überlegenheitsillusion gehört zu den praktischen selbstwertdienlichen Verzerrungen, mit denen wir uns selbst schön reden und aufwerten. Sie hilft uns, ein positives Selbstbild zu entwickeln und zu behalten, was dazu führt, dass wir uns gut bzw. besser fühlen. Aufgrund der Illusion können wir aber auch genauso gut "vor die Pumpe laufen". Wie auch immer: Wir merken es erst, wenn es zu spät ist - und selbst dann wirkt die Verzerrung, die unserem Selbstwert dient weiter. Der Effekt der Überlegenheitsillusion beschreibt ein Vorurteil, das uns dazu verleitet, unsere Stärken im Vergleich zu anderen überzubewerten bzw. maßlos zu überschätzen. Bei dem Effekt handelt es sich - wie der Name sagt - um eine reine Illusion, die uns aber natürlich glaubwürdig erscheint, so glaubwürdig, dass wir nicht daran zweifeln. Auf dem Prinzip der Überlegenheitsillusion basiert der Overconfidence-effect, auch Overconfidence barrier-effect genannt:

 

Es besteht eine grundsätzliche Tendenz des Menschen, von seinen eigenen Urteilen und seiner Urteilskraft überzeugt zu sein. Basis eines jeden Urteils bzw. einer jeden Entscheidung ist demnach die Selbstüberschätzung. Das Vertrauen in das eigene Urteilsvermögen ist bei Menschen größer als die objektive Richtigkeit dieser Urteile, vor allem dann, wenn das Selbstvertrauen und das generelle Vertrauen relativ hoch ist. Die eigene Überschätzung basiert auf einer natürlichen Fehlkalibrierung subjektiver Wahrscheinlichkeiten im Gehirn. Insofern handelt es sich um einen Mechanismus, der uns grundsätzlich Kraft und Mut verleiht und uns zum Handeln bewegt, wobei auch Risiken in Kauf genommen werden (müssen), da wir sonst nur bedingt handlungsfähig und nicht mutig genug wären, was unser Handeln hemmen würde. 

 

Die Tendenz zur Selbstüberschätzung beeinflusst unser Urteilsvermögen also bewusst, weil das Handeln an sich evolutionstechnisch wichtiger ist als die Richtigkeit des Handelns. Bei Untersuchungen wurde im Schnitt eine Selbstüberschätzungs- und Übermütigkeits-Quote von 20 % gemessen. Man unterscheidet zwischen

a) der Überschätzung der tatsächlichen Leistung,

b) der Überbewertung der eigenen Leistung im Vergleich zu anderen und

c) der übermäßigen Gewissheit in Bezug auf die Richtigkeit der eigenen Überzeugungen (overprecision).

 

Untersuchungen zeigen, dass das Vertrauen in die eigene Person den Realitätsgehalt und die Genauigkeit systematisch übersteigt. Zudem halten sich Menschen grundsätzlich für besser als andere und besser, als sie wirklich (nachgemessen) sind. So lag bei Experimenten z.B. bei jenen Probanden, die sich bezüglich der Erwartung ihrer Richtigkeit zu 100 % sicher waren, die Fehlerquote bei 20 % anstatt bei 0%. Darüber hinaus konnte der Hang zur Übermütigkeit deutlich nachgewiesen werden. Sobald die Genauigkeit (z.B. bei der Tefferquote)  80% übersteigt, erfolgt das menschliche Handeln sogar unterbewusst. Dann neigen wir dazu, angeblich selbst die Antworten auf komplizierte Probleme zu kennen, was als "Gott-Komplex" bezeichnet wird. Dies lässt sich auch im Alltagssituationen beobachten, wo Menschen mit vollem Selbstbewusstsein Lösungen für komplexe Weltfragen vorschlagen oder Lehrer relativ selbstbewusst darüber urteilen, dass einige Individuen und / oder Gruppen intelligenter seien als andere, was auch zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führen kann. Der besagten Übermütigkeit stehen Ängste gegenüber, welche die Wahrnehmung und Urteilskraft ebenfalls stark beeinflussen.