Wissen: Defensive Attribution - Attributionstheorien

Kurze Erklärung
Beim Thema geht es um die Bevorzugung internaler Attributionen bei Erfolg und externaler Attributionen bei Misserfolg.

 Was heißt das? Hierzu einige Ausführungen:

Der Mensch strebt nach einem positiven Selbstbild und ist bestrebt, seinen Selbstwert tunlichst aufrechtzuerhalten und zu schützen.

 

Notfalls geschieht dies künstlich: Durch eine Verzerrung der Realität und Uminterpretation von logischen Zusammenhängen und Ursächlichkeiten. Um bei bestimmten Gedanken (z.B. kognitive Dissonanzen aufgrund Misserfolgs), die zu einem negativen Selbstbild führen - und damit unseren Selbstwert gefährden, ein positives Selbstbild tunlichst aufrechtzuerhalten, neigen wir dazu, die Zusammenhänge umzuinterpretieren und die Realität zu verzerren. Siehe dazu: Selbstwertdienliche Verzerrungen.  

Wenn ein Mensch nicht erfolgreich ist oder eine schlechte Leistung erzielt hat, fällt es ihm oft schwer, sich einzugestehen, dass dies an ihm selbst (z.B. mangelnde Fähigkeiten, schlechte Vorbereitung etc.) liegt bzw. dass das eigene Verhalten für den Misserfolg ursächlich ist. Da Schamgefühle ins Spiel kommen und der eigene Selbstwert gefährdet erscheint, neigen  Menschen dazu, ihren Misserfolg bzw. ihre eigenen Fehl-, Schlecht- oder Nicht-Leistungen zu entschuldigen, indem sie die Ursächlichkeit auf externale Ursachen zurückführen (z.B. "Ich wurde gestört") oder anderen die Schuld zuschreiben (z.B. unfairer Prüfer).

 

Das Gegenstück dazu sind selbstwerterhöhende Attributionen bei guten Leistungen, die dann dem (vermeintlichen) Können der eigenen Person zugeschrieben werden (internale Attribution) und der Selbstwertsteigerung dienen.  Hinzu kommt folgendes: Erwartete Ereignisse werden internal erklärt bzw. der Erfolg dem vermeintlichen Können der eigenen Person zugeschrieben, während überraschende Ereignisse, die unserer positiven Erwartung zuwider laufen, externalen Ursachen  zugeschrieben werden.

 

Sofern das Wegschieben der Verantwortung allzu offensichtlich und nicht vertretbar erscheint, verzichtet der Mensch gern darauf, eine Ursache für das schlechte Ergebnis zu nennen. Der Misserfolg erscheint ihm dann unerklärlich oder gar unheimlich.

Attributionstheorien

Akteur-Beobachter-Divergenz

Handlungen anderer Menschen werden eher mit deren Persönlichkeitseigenschaften, eigenes Verhalten eher mit der speziellen Situation begründet.

 

Kelleys Kovariationsprinzip  (Attributionstheorie nach Harold Kelley)

Das Wissen darüber, eine Aufgabe normalerweise bewältigen zu können, führt dazu, einen Erfolg auf innere, ein Versagen auf äußere Faktoren zurückzuführen. Basis hierfür bilden die sogenannten Attributionstheorien.

 

Attributionstheorien sind Ansätze der Psychologie, die beschreiben, wie wir als Menschen Informationen nutzen, um kausale Erklärungen für Verhaltensweisen von Menschen vorzunehmen. Die Grundlage der Attributionstheorien legte Fritz Heider mit seinem Hauptwerk The psychology of interpersonal relations (1958), indem er als Erster zwischen internen und externen Attributionen unterschied. Demnach seien Menschen „naive Wissenschaftler“ bzw. „Alltagspsychologen“ oder "Bauernpsychologen", die sich das Verhalten anderer aufgrund lückenhafter Informationen stetig zu erklären versuchen.

 

Gelangt man zu dem Schluss, dass die Ursache des Verhaltens in der handelnden Person selbst liegt, also an seinem Charakter, seinen Überzeugungen oder anderen überdauernden Persönlichkeitseigenschaften, nennt Heider dies "interne Attribution". Glaubt man jedoch, die Situation an sich habe das Verhalten verursacht, spricht Heider von externer Attribution. Heider war davon überzeugt, dass wir zu oft intern und zu selten extern attribuieren, was Lee Ross später pointiert als fundamentalen Attributionsfehler bezeichnete.

 

Gemäß den Studien von Frank Fincham und seinen Mitarbeitern gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Gelingen einer Partnerschaft und dem persönlichen Attributionsstil: In glücklichen Ehen fand Fincham signifikant häufiger eine dispositionale, also auf Persönlichkeitseigenschaften beruhende Ursachenzuschreibung von angenehmen Verhaltensweisen des Partners, während negative Verhaltensweisen des Partners eher situativ, also externen Umständen geschuldet, begründet wurden. In unglücklichen Ehen war dies genau umgekehrt.

 

Laut dem Kovariationsprinzip von Harold Kelley analysiert der Mensch objektiv und logisch drei Informationen, um zu einer internen oder externen Attribution zu gelangen. Zunächst fragt er nach der Konsistenz des Verhaltens, also ob das Verhalten des Akteurs in ähnlichen Situationen über verschiedene Zeitpunkte hinweg auftritt und nicht etwa nur eine Ausnahme darstellt. Die Konsistenz ist hoch, wenn das Verhalten über verschiedene Zeitpunkte hinweg auftritt und gering, wenn das Verhalten nur zu wenigen Zeitpunkten auftritt. Liegt Konsistenz, also ein Verhaltensmuster vor, hängt die interne oder externe Attribution von zwei Faktoren ab: 1. "Konsensus" veschreibt, wie sehr auch andere Personen in derselben Situation in gleicher Weise reagieren wie der Akteur. Der Konsensus ist hoch, wenn viele andere Personen ähnlich reagieren und niedrig, wenn wenige andere Personen so reagieren. 2. "Distinktheit" beschreibt, ob das Verhalten eine Reaktion auf einen spezifischen Stimulus ist. Die Distinktheit ist hoch, wenn sich die Person nur in wenigen Situationen so verhält und niedrig, wenn sich die Person auch in vielen anderen Situationen so verhält.

 

Dies soll hier aber nicht thematisiert, sondern nur kurz als Ergänzung des eigentlichen Themas umrissen werden.  Interessant könnte in diesem Zusammenhang aber noch sein, dass Martin Seligman, bekannt für seine Theorie der erlernten Hilflosigkeit, Heiders Modell um zwei Dimensionen erweiterte, um die Entstehung von Depressionen zu erklären. Laut Seligman fördert ein bestimmter Attributionsstil die Entstehung von Depressionen. Menschen mit Depressionen neigen nämlich dazu, gute Erfahrungen immer extern und schlechte immer intern zu attribuieren.

 

Wenn man positive Erfahrungen jedoch immer intern und schlechte immer extern attribuiert, kann es sein, dass man an Größenwahn leidet. Trotzdem: Wenn man gute Erfahrungen eher intern und negative Erfahrungen eher extern attribuiert, kann dies zumindest für ein gutes Selbstvertrauen förderlich sein, weshalb dieses Konzept auch Bestandteil einer Psychotherapie ist.

 

Auch laut Heinz Heckhausen können verschiedene Geschehnisse verschieden attribuiert, folglich durch verschiedene Gründe erklärt werden. Erwähnenswert wäre auch, dass die von Edward E. Jones und Keith Davis entwickelte Theorie korrespondierender Inferenzen - eine zusätzliche Attributionstheorie aus dem Bereich der Sozialpsychologie ist. Sie beschäftigt sich damit, wie Beobachter einer Handlung auf eine Disposition des oder der Handelnden schließen. Ziel des Attributionsprozesses ist die Feststellung, ob ein beobachtetes Verhalten und die Absicht, die zu diesem Verhalten geführt hat, mit einer zugrundeliegenden, stabilen Eigenschaft der Person korrespondiert.

 

Empirische Belege hierfür lieferte ein Experiment, bei dem Versuchspersonen einen Aufsatz über Fidel Castro bewerten sollten. Während der einen Gruppe erzählt wurde,  dass der Autor gezwungen wurde, den Aufsatz zu schreiben und sich für Fidel Castro auszusprechen, wurde der anderen Gruppe erzählt, dass sich der Autor aus freien Stücken für seine Pro-Haltung entschied. Der Aufsatz mit der angeblich freiwilligen Haltung wurde nachfolgend von den Teilnehmern des Experimentes als extremer eingeschätzt als der Aufsatz mit der angeblich aufgezwungenen Haltung. Gleiche Belege gab es bei einem Aufsatz, der sich gegen Fidel Castro aussprach.

 

In diesem Zusammenhang spricht man in der Sozialpsychologie auch von "Sozialer Erwünschtheit": Wird eine Handlung ausgeführt, weil sie in der Situation erwünscht ist, so beurteilen Beobachter diese Handlung eher als weniger extreme Einstellung des Handelnden. Wird die Handlung jedoch entgegen sozialen Konventionen durchgeführt, so wird die Disposition des Handelnden von Beobachtern als extremer eingestuft. Auch hierfür gibt es empirische Befunde. Bekannt ist zum Beispiel ein Versuch mit vermeintlichen Bewerbern als Astronauten und U-Boot-Kapitänen. Hier sollten die Versuchspersonen ein vermeintliches Vorstellungsgespräch beurteilen. Dabei beurteilten die Versuchspersonen diejenigen Kandidaten als extremer in ihren Einstellungen, die sich einem vorgegebenen Rollenwunsch widersetzten.

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