Wissen: Reize - Reizverarbeitung - Reaktion auf Reize - Reizüberflutung - Reizübersättigung - Konditionierung

Wissen Psychologie: Reize, Wahrnehmung von Reizen, Reizverarbeitung, Reaktion auf Reize, positive oder negative / aversive Reize (Stimuli / Stimulanzen / Stimulationen), Reizüberflutung, Reizübersättigung, Konditionierung

Reize und deren Wahrnehmung
Wahrnehmung basiert auf der Aufnahme von Reizen (mit Hilfe unserer Sinnesorgane) aus unserer Umwelt - und deren Verarbeitung im Gehirn. Reize stimulieren unseren Organismus. Die Bezeichnung der Reize hängen ab von der Wirkung auf die jeweiligen Sinnesorgane (z.B. Geruchsinn = Olfaktorische Reize / Auge = Visuelle Reize usw). 

 

Als Reizverarbeitung bezeichnet man den Gesamtvorgang von der Aktivierung des Rezeptors bis zur Auslösung der Empfindung oder Reaktion. Die Reaktionsfähigkeit des Organismus bezeichnet man als Reizbarkeit (Erregbarkeit).

 

Reaktion auf Reize

Der menschliche Organismus reagiert auf wahrgenommene Reize entweder positiv oder negativ - ggf. auch neutral. Manche Reize bekommen wir selbst gar nicht bewusst mit. Um überhaupt bemerkt zu werden, benötigen Reize eine bestimmte Stärke. Manche Reize liegen unterhalb der sogenannten Reizschwelle.

 

Reiz-Empfindlichkeit 

Die Empfindlichkeit eines Sinnesorgans für bestimmte Reize, hängt von der Ausprägung und Dauer des Reizes ab, ebenso von der individuellen Einstellung des Einzelnen und dessen Aufmerksamkeit und Empfänglichkeit (Sensibilität). An bestimmte Reize kann man sich derart gewöhnen (Habituation), dass man sie gar nicht mehr bewusst wahrnimmt. Die Gewöhnung führt zu einer Art Abstumpfung und Resilienz. Das Gegenteil von Resilienz bezeichnet man als Vulnerabilität. Vulnerabilität bedeutet, dass jemand besonders leicht durch äußere Einflüsse zu verletzen ist. 

 

Dieser Gewöhnungsprozess (Gewöhnung an bestimmte Reize, denen sich die Betroffenen möglichst über Vermeidungsverhalten oder Flucht entziehen, weil diese als unangenehm, belastend und leidvoll empfunden werden) wird in der Psychotherapie - konkret in der Konfrontationstherapie genutzt, um sich an unangenehme Singe, Situationen zu gewöhnen und zu lernen, dass nichts Schlimmes passiert.

 

Reize führen zu Reaktionen (Verhalten) / Reiz-Reaktions-Schema / Reiz-Reaktions-Kette

Reize können eine Verhaltensreaktion aktivieren. Ein Reiz der zu einer Verhaltensreaktion führt, wird auch Stimulus genannt. Stimulus bezeichnet die Anregung, die auf den menschlichen Organismus einwirkt und beim Menschen etwas bewirkt. Bewirkt wird ein bestimmtes Verhalten.  

 

Durch Einwirkung bestimmter Reize auf die Sinnesorgane bzw. den Organismus wird eine Reiz-Reaktions-Kette in Gang gesetzt. So hört zum Beispiel ein Schüler den Ton der Schulglocke, steht sofort auf und macht sich auf den Weg nach draußen (Reiz-Reaktions-Modell). 

 

Das Reiz-Reaktions-Schema beschreibt, wie Lebewesen auf Reize aus ihrer Umwelt reagieren. Es beschreibt, wie Reize aufgenommen, verarbeitet und schließlich in Reaktionen umgesetzt werden. Tatsächlich beginnt jede unserer Bewegungen, Empfindungen und Entscheidungen mit einem Reiz. Die Reiz-Reaktions-Kette bewirkt schnelle und effektive Anpassungen an veränderte Bedingungen - manchmal jedoch leider auch im negativen Sinn.

 

Reaktionen auf Reize können nicht nur von aktuellen sondern auch von vergangenen Reizen ausgelöst werden. Auch vergangene Stimuli können zur positiven oder negativen Verstärkung des Verhaltens beigetragen. Dadurch kann auch krankhaftes oder unangepasstes Verhalten erklärt werden. Bestimmte Stimuli, die in der Vergangenheit erfahren wurden, können in der Gegenwart zu abnormen bis krankhaften Verhaltensformen führen.

 

Begegnet dem Menschen ein Reiz aus der Umwelt und löst dieser eine Reaktion aus, so spricht man vom reaktiven Verhalten. Wird hingegen eine bestimmte Verhaltensform durch einen Reiz der Umwelt beantwortet, handelt es sich um ein operantes Verhalten. In beiden Fällen verbindet das Verhalten den Menschen mit seiner Umwelt.

 

Positive und aversive Stimuli / Stimulanzen / Stimulationen und entsprechende Reaktionen
Reize gelten als Stimuli. Sie wirken auf unseren Organismus, auf unser Denken und unsere Psyche. Während positive Stimuli / Stimulanzen / Stimulationen wie z.B. ein schönes bzw. anregendes Bild, ein positives Wort, eine zärtliche Berührung beim Gegenüber zu positiven Reaktionen bzw. positivem Verhalten und dem Bedürfnis nach Nähe und Wiederholung bzw. zu Nähe- und Wiederholungsverhalten führt, bewirken aversive Stimuli / Stimulanzen / Stimulationen eine negative Reaktion oder ein Flucht- und/ oder Vermeidungsverhalten.

 

Lernen durch positive oder aversive Stimuli
Lernen erfolgt besonders gut durch positive Stimuli bzw. Anreize und Verstärker (positive Verstärkung). Beim einem aversiven Reiz oder aversiven Stimulus im Sinne der Lernpsychologie handelt es sich um einen negativen Stimulus, bei dem eine Vermeidungsreaktion ausgelöst wird.

 

Häufig erfolgt in der Erziehung Bestrafung durch aversive Reize: In dieser Form des Lernens folgt dem Verhalten ein unangenehmes Ereignis (Bestrafung). Ein Kind bekommt z.B. auf Grund seines schlechten Benehmens ein Fernsehverbot, was den Entzug eines positiven Reizes bedeutet. Lernen kann aber auch - und sogar viel besser durch Kopplung an positive Reize erfolgen.

 

Auch im therapeutischen Bereich kann das Wissen über positive Verstärker genutzt werden, um erwünschte Verhaltensweisen aufzubauen oder unerwünschte Verhaltensweisen abzubauen. Methoden für den Aufbau erwünschten Verhaltens sind positive Verstärkung (auf angemessenes Verhalten), negative Verstärkung, Shaping, Chaining, Prompting

Methoden zum Verhaltensabbau sind Bestrafung, Löschung, Response-Cost, Time-Out, und Sättigung. Diese passen, wenn unerwünschtes (z.B. schadhafte, exzessives, aggressives, verletzendes Verhalten) verändert werden soll.

 

Beispiele / Exkurs:

Bei positiver Verstärkung lernt der Lernende eine positive Konsequenz auf eine bestimmte erwünschte Verhaltensweise. Dabei soll vor allem angemessenes positives bzw. zielführendes Verhalten positiv verstärkt werden. Bei negativer Verstärkung führt eine Verhaltensweise zum Ausbleiben einer aversiven Konsequenz. Z.B. lernt ein Kind, sich zu entschuldigen, um das Schimpfen seiner Mutter zu beenden.

 

Beim Shaping erfolgt durch gezielte positive Verstärkung einzelner Verhaltenselemente eine stufenweise Annäherung an ein gewünschtes Zielverhalten. Das erwünschte Zielverhalten wird in einzelne Verhaltenselemente unterteilt. Die Verstärkung erfolgt auf alle Verhaltenselemente, die dem gewünschten Zielverhalten näherkommen. So wird z.B. bei einem sprachbehinderten Kind jeder als Wort erkennbare Laut beim Erlernen sprachlicher Fertigkeiten gelobt.

 

Beim Chaining werden komplexere Verhaltensweisen durch Verkettung einzelner Verhaltenselemente erlernt. Im Unterschied zum Shaping sind die Verhaltenselemente bereits im Verhaltensrepertoire und müssen nur noch miteinander verknüpft werden. Eine Verstärkung erfolgt hier erst, wenn das letzte Glied der Verhaltenskette erfolgt ist. Dadurch wird das Verhalten zum konditionierten Verstärker für die vorangehende Reaktion.

 

Auf diese Weise werden Verhaltenselemente nacheinander verknüpft. Jedes einzelne Verhaltenselement wirkt als Verstärker für das vorangehende Verhaltenselement und andererseits als "diskriminativer" Stimulus für die nächste Verhaltenssequenz.

Diskriminative Stimuli sind Reize, die einem Verhalten vorausgehen und  anzeigen bzw. ankündigen, dass auf ein bestimmtes Verhalten eine Konsequenz folgt (sowohl positiv als auch negativ). Der Begriff "diskriminativ" entstammt dem Substantiv "Diskriminierung".

Hier ein Beispiel für das Chaining, bei dem komplexere Verhaltensweisen durch Verkettung einzelner Verhaltenselemente erlernt werden: Ein Kind soll z.B. lernen, sich selbstständig die Zähne zu putzen. Dazu muss es 1. Zahnbürste in die Hand nehmen, 2. die Zahnbürste befeuchten, 3. die Zahnpastatube öffnen, 4. Zahnpasta auf die Zahnbürste geben, 5. die Zahnpastatube schließen, 6. die Zahnbürste in den Mund stecken, 7. die Zähne bürsten, 8. Zahnpasta ausspucken und 9. sich Mund waschen und trocknen. Erst wenn alle Schritte durchgeführt wurden, wird das Kind gelobt.

 

Beim Prompting wird durchverbale oder verhaltensmäßige Hilfestellung das Erlernen einer Verhaltensweise vereinfacht, indem die Aufmerksamkeit auf das gewünschte Verhalten gelenkt wird. So kann z.B. ein Therapeut in einem Rollenspiel während einer Paartherapie in Situationen, in denen dem Partner gegenüber direkte oder indirekte Vorwürfe geäußert werden, durch Soufflieren alternative bessere bz. fördernde Reaktionen anbieten.

 

Beim Fading werden Hilfsstimuli (z.B. Hilfestellungen durch den Therapeuten und therapeutische Maßnahmen) graduell reduziert, bis der Klient nur noch auf Reize reagiert, die auch in seinem Alltag vorhanden sind. Im therapeutischen Setting spielt das Fading beim Übergang vom therapeutischen Setting zu den natürlichen Bedingungen eine wichtige Rolle. Dafür werden Schritt für Schritt die Sitzungsabstände verlängert und/oder kurze Telefonkontakte zwischen den Sitzungen eingebaut.

 

Zum Erwerb und zur Ausformung bestimmter Verhaltensweisen sollte die positive Verstärkung kontinuierlich erfolgen. Ebenso sollte die Verstärkung in einem konkreten Zusammenhang und unmittelbar nach dem erwünschten Zielverhalten erfolgen. Zur Vermeidung von Sättigungseffekten sollten verschiedene Verstärker eingesetzt werden.

 

Methoden zum Verhaltensabbau (Bestrafung, Löschung, Response-Cost, Time-Out, Sättigung) passen wie bereits gesagt, wenn unerwünschtes (z.B. schadhafte, exzessives, aggressives, verletzendes Verhalten). Verhalten verändert werden soll.

So folgt bei der Bestrafung auf ein unerwünschtes Verhalten eine aversive Konsequenz, wodurch die Auftretenswahrscheinlichkeit für das unerwünschte Verhalten reduziert wird.

 

Hier ist zwischen direkter und indirekter Bestrafung zu unterscheiden. Die direkte Bestrafung (z.B. wenn ein schwer depressiver Patient mit Suizidgedanken  gegen seinen Willen mithilfe der Polizei in eine Notfallklinik eingewiesen wird), sollte nur dann angewendet werden, wenn ein Verzicht auf Bestrafung mit noch negativeren Folgen (z.B. Verletzungen) einhergehen würde und wenn nicht-aversive Methoden erfolglos bleiben.

 

In der Regel soll durch Bestrafung unerwünschtes  Verhalten abgebaut werden. Direkte Bestrafung ist jedoch in einigen Fällen ungeeignet, um ein Verhalten langfristig abzubauen, da Bestrafung unerwünschtes Verhalten lediglich hemmt oder unterdrückt, aber nicht löscht. Man geht davon aus, dass sich das unerwünschte Verhalten irgendwann wieder zeigt, nämlich dann, wenn ersichtlich ist, dass keine Bestrafung mehr folgen wird - zumindest dann, wenn moralische Überlegungen ausbleiben. Laut Mackintosh (1974) seien Bestrafungen MIT moralischen Überlegungen hingegen durchaus wirksam.

 

Bestrafung hat einen aversiven Zustand zum Ziel und wird mit Gewalt, Angst und Schmerz assoziiert. Diese

Assoziation fördert die Neigung zu Flucht- und Vermeidungsreaktionen. Das  Individuum versucht, sich der Wirkung der aversiven Reize zu entziehen oder es lernt, durch geschicktere Verhaltensweisen der Bestrafung zu entgehen. Ein angemesseneres, günstigeres Alternativ-Verhalten wird jedoch nicht erlernt. Zudem kann eine Bestrafung unerwünschte Emotionen wie (z.B. Frust und Ärger) auslösen, was wiederum aggressives Verhalten begünstigen kann.

 

Hinzu kommt, dass Bestrafung einen negativen Effekt auf das Selbstwertgefühl hat, was langfristige Folgen für das Selbst

konzept nach sich ziehen kann, woraus psychische Probleme resultieren können. Auch wirkt die strafende Person als Modell für die bestrafte Person (Lernen am Modell). Demzufolge können ungünstige Verhaltensweisen am Modell gelernt werden, die dann ebenfalls wieder Bestrafung und Aggression nach sich ziehen. Mit der Methodik einer Bestrafung wird unerwünschtes Verhalten folglich nicht dauerhaft beseitigt, sondern nur kurzfristig unterdrückt oder abgeschwächt.

 

Die Vorgehensweise bei der Aversionstherapie beruht auf dem Paradigma der klassischen oder der operanten Konditionierung. Das Vorgehen entspricht der Bestrafung, bei der eine aversive Konsequenz die zukünftige Auftretenswahrscheinlichkeit eines unerwünschten Verhaltens verringert.

 

Bei der Löschung werden alle positiven und negativen Verstärker, die ein Verhalten aufrechterhalten, entfernt. Die positiven Konsequenzen (z.B. Aufmerksamkeit, Zuwendung, Zuhören), die ein unerwünschtes Verhalten aufrechterhalten, werden konsequent unterlassen, wodurch es zu einer Verhaltensreduktion kommen soll.

 

In der Realität ist es aber sehr schwierig, ein Verhalten gar nicht mehr zu verstärken, da in den meisten Fällen nicht nur eine Person Verstärkungen darbietet oder entzieht. Insbesondere in sozialen Situationen, wo viele Reize und Konsequenzen auf das Verhalten wirken, kann ein und dasselbe Verhalten in verschiedenen Situationen zu widersprüchlichen Konsequenzen führen. Wenn ein Lehrer z.B. ein impulsives und hyperaktives Verhalten eines Schülers ignoriert, kann dieses trotzdem noch durch Mitschüler, Eltern und andere Menschen verstärkt werden, womit die Bemühungen des Lehrers untergraben werden.

 

Bei der Response-Cost-Methode werden vorher erworbene generalisierte Verstärker (z.B. Geld, bestimmte Freiheiten) entzogen, sobald sich unerwünschtes Verhalten zeigt. Beim Time-Out werden alle potentiellen Verstärker entzogen und die Person, dessen Verhalten sich ändern soll, für einen bestimmten Zeitraum aus dem sozialen Umfeld herausgenommen und 

in eine möglichst reizarme Umgebung gebracht.

 

Wenn z.B. ein Schüler den Unterricht stört, in dem er einen seiner Mitschüler immer wieder beleidigt und Ermahnungen durch den Lehrer nicht fruchten, wird er vom Lehrer in einen neutralen Raum gebracht, wo er Abstand zu dem betroffenen Schüler findet, aber auch zu anderen Mitschülern. Das Ganze wird nicht als Bestrafung dargestellt; vielmehr instruiert der Lehrer den besagten Schüler, die Zeit und Ruhe zur Reflexion seines unangemessenen Verhaltens zu nutzen.

 

Beim Entzug oder Entfernen von Verstärkern (Löschung, Time-Out) müssen alle Verstärker entfernt werden, damit es nicht zu einer Verstärkung durch die noch vorhandenen Verstärker kommt.

 

As Sättigung bezeichnet man eine Verhaltensweise, die derart massiv verstärkt wird, so dass diese mit der Zeit sehr schnell an Attraktivität verliert. Neben dem Abbau des unerwünschten Verhaltens sollte ein Alternativ-Verhalten ermöglicht und aufgebaut werden, das differenziert verstärkt werden sollte.

 

Beispiel: Sexuelle Reize und sexuelle Erregung

Am einfachsten lässt sich die Wirkung von Reizen am Beispiel sexueller Reize darstellen, die zu einer sexuellen Erregung führen, welche die Einleitung des Paarungsverlangens bewirkt. Zur Auslösung der sexuellen Erregung tragen beim Menschen neben dem hormonell bedingten Appetenzverhalten optische, akustische, olfaktorische und taktile und haptische Schlüsselreize sowie assoziative gedankliche Verknüpfungen (siehe klassische Konditionierung) bei.

 

Das Zusammenspiel bestimmter Stimuli zieht eine mentale und körperliche Reaktion bis hin zur Ausscheidung von Körperflüssigkeiten nach sich ziehen kann. Ebenso führen sexuelle Reize zu einem bestimmten Verhalten, das dazu dient, Befriedigung zu finden (Flirtverhalten, Balzverhalten, Paarungsverhalten, sexuelle Handlungen). 

 

Während durch positive Stimuli das Verhalten des Wahrnehmenden ausgelöst und verstärkt wird, lösen negative bzw. aversive Stimuli ein Vermeidungs- oder Fluchtverhalten aus.

 

Beispiel: Klassische Konditionierung

In der klassischen Konditionierung können selbst neutrale Reize durch mehrfache Paarung eine Lernerfahrung generieren, beim Framing ebenfalls. Klassische Konditionierung ist eine von dem russischen Physiologen Iwan Petrowitsch Pawlow begründete behavioristische Lerntheorie, die besagt, dass einer natürlichen, meist angeborenen, sogenannten unbedingten Reaktion durch Lernen eine neue, bedingte Reaktion hinzugefügt werden kann.

 

Ein bekanntes Beispiel ist der Pawlowsche Hund: Wenn ihm Futter gereicht wurde (Reiz 1) , erklang zugleich stets ein Glockenton (Reiz 2). Nach einigen solchen Futtergaben begann schon allein nach dem bekannten Glockenton der Speichel des Hundes zu fließen.

 

Das klassische Konditionieren führt zu bestimmten Lernprozessen. Diese können sich positiv oder negativ gestalten.  So kann es z.B. bei zu aversiver Bestrafung eines Kindes dazu kommen, so dass z.B. der Lehrer oder ein Elternteil zu einem konditionierten Stimulus wird, der negative Emotionen auslöst. Entscheidend für die Wirkung von Bestrafung ist u.a., dass ein Alternativverhalten zur Verfügung steht, das belohnt wird.

 

Das klassische Konditionieren kann auch angewendet werden, um Ängste, Zwangshandlungen oder angstähnliche Symptome zu behandeln. Je nach Vorgehen nennt man dies auch Gegenkonditionierung, Aversionstherapie, systematische Desensibilisierung, Extinktion oder Flooding.

 

Beispiel: Framing

Framing bezeichnet eine Kommunikationsstrategie bei der eine bestimmte Botschaft durch eine ausgewählte Wort- und Themenwahl eingeordnet wird, um Einfluss darauf ausüben wie Rezipienten die Botschaft aufnehmen und welche Konsequenzen sie daraus ziehen. Wie bei der klassischen Konditionierung arbeitet Framing mit zwei Reizen: Einem neutralen Reiz und einen künstlichen Reiz, der die Wahrnehmung des ersten Reizes im Zusammenspiel dann massiv beeinflusst. 

 

So wird mit Framing ein eigentlich neutraler Begriff neu bewertet, wobei die Wahrnehmung der Realität allein durch zwei gekoppelte Begriffe (Reize) erheblich beeinflusst wird.

 

Durch Framing wird versucht, Einfluss darauf auszuüben, wie eine Sache betrachtet wird oder wie jemand über eine Sache denkt. Hierbei entscheidet der Medienproduzent darüber, welchen Frame er benutzen möchte.

 

Framing bedeutet, eine kommunikative Botschaft kontextuell einzurahmen, womit ein Sachverhalt in einen bestimmten Bedeutungskontext gesetzt wird und sich je nach Rahmen mal positiv, mal negativ verändert und zu unterschiedlichen emotionale Bewertungen führt, die sogar unterschiedliche Handlungen hervorrufen. Framing wird als Methode deshalb besonders in der politischen Kommunikation, dem Marketing und im Journalismus eingesetzt.

 

Reizüberflutung

Wenn der Körper sehr viele Reize gleichzeitig aufnimmt, dass sie nicht mehr verarbeitet werden können und bei den Betroffenen zu einer psychischen Überforderung führen, spricht man von Reizüberflutung. Es handelt sich um eine Überforderung des (menschlichen) Organismus bzw. Nervensystems durch Sinneseindrücke. Reizüberflutung kann z.B. ausgelöst werden durch Informationen, Eindrücke, Lärm und mehrere gleichzeitige akustische Quellen, durch Vielzahl von Farben, blinkende Lichter, schnelle Bewegungen, unterschiedliche Geschmacksrichtungen zugleich, die nicht mehr einzeln empfunden und zugeordnet werden können.

 

Reizüberflutung kann kurzfristig zu Stress, Hektik, aggressiven Reaktionen und schneller Erschöpfung führen. Vor allem Schizophrene, aber auch Hochsensible Persönlichkeiten (HSP) sowie von Autismus und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) Betroffene reagieren dabei besonders stark.

 

Anhaltende Reizüberflutung kann dauerhafte Konzentrationsschwierigkeiten, Realitätsverlust oder Hyperaktivität bewirken und stellt eine mögliche Ursache für Lernschwächen dar. Moderne Lebensweisen, insbesondere die allgegenwärtige Nutzung des Internets und anderer moderner Medien führen zu einer chronischen Reizüberflutung, die bei vielen Menschen zu typischen Störungsbildern führen.

 

Reizüberflutung zu therapeutischem Zwecke

Das Flooding (auch Überflutung, Reizüberflutung) ist eine Form der Konfrontationstherapie, die zu den Techniken der Verhaltenstherapie gezählt wird. Besonders gute Erfolge zeigt es bei Angststörungen. Beim Flooding wird ein phobischer Patient dem für ihn am stärksten angstauslösenden Reiz ausgesetzt und soll in der angstauslösenden Situation verweilen, bis seine Angst zurückgegangen ist.

 

Wenn eine Person zum Beispiel Höhenangst hat, dann wäre die Reizüberflutung das Verweilen auf einem hohen Turm. Eine mildere Form dieser Art der Therapie ist die gestufte Reizkonfrontation, die man auch als gestufte Konfrontation bezeichnet.

 

Übersättigungs-Effekt

Informationen bzw. Reize aus unserer Umwelt, die wir öfter wahrnehmen bzw. denen wir häufig ausgesetzt sind, verlieren mit der Häufigkeit und Regelmäßigkeit des Eintreffens ihren "Reiz". Wir nehmen sie dann schwächer oder stärker oder irgendwann gar nicht mehr wahr. Am Ende steht die völlige Reizüberflutung und Abstumpfung hinsichtlich des Empfindens.

 

Während z.B. der anfangs beißende Rauch einer Zigarette mit der Zeit der Gewöhnung deutlich abgeschwächt - und schließlich als angenehm - empfunden wird, kann ein Kettenraucher nicht genug davon bekommen, weil er den "Genuss" schließlich immer schwächer wahrnimmt. Ähnlich verhält sich dies bei anderen Genussmitteln, beim Temperaturempfinden, bei sexuellen Stimuli und bei allen anderen Reizen, die mit der Zeit "abflachen" und dann geringer bis kaum noch wahrgenommen werden.

 

Umgekehrt kann sich das bei - als unangenehm empfundenen - Reizen verhalten, denen man unfreiwillig ausgesetzt ist. Sie können sich wahrnehmungstechnisch deutlich verstärken und schließlich als unerträglich empfunden werden. Es gibt bestimmte Folter- und Mobbing-Methoden, die diesen Effekt ausnutzen. Ein weiterer Effekt, der mit Reizüberflutung in Verbindung steht, ist der...

 

Totlese-Effekt

In der Kürze steckt nicht nur die Würze, sondern auch das Verständnis. Viele Informationen können nicht gut verarbeitet werden. Das menschliche Gehirn ist schnell ermüdet und überfordert. Es entsteht schnell eine Demotivation, die eingehenden Informationen weiter zu verarbeiten.

 

So verlässt einen ggf. das Interesse, einen langen Text oder komplexe Ausführungen konzentriert oder überhaupt weiter zu lesen. Die Informationsverarbeitung kann nicht konstant aufrechterhalten werden und ermüdet. Dann überlesen (überfliegen) wir einen Text z.B. einen Vertrag oder reimen uns den Rest selbst zusammen. Wir ahnen die weiteren Zusammenhänge voraus, füllen offene Lücken mit eigenen Denk-Schemata und konstruieren uns den Rest selbst.

 

Dabei können wichtige, wertvolle und tragende Informationen untergehen, ggf. zu unseren Ungunsten. Lieber bleiben wir im ersten Schritt (Informationsaufnahme) hängen und glauben das alles, als im zweiten Schritt der Informationsprüfung (siehe Automatic believing effect) alles komplex prüfen zu müssen. Die Ökonomie geht vor, leider nicht immer zu unseren Gunsten. Unser Urteil wird getrübt und dadurch die Fähigkeit zur objektiven Entscheidung. 

 

Gleichzeitig stellt der Totlese-Effekt in gewisser Hinsicht einen Spiegel in unser Unterbewusstsein dar und zeigt auf, wie hoch unsere Motivation für ein Thema ist, mit dem wir uns lesend beschäftigen:

 

Während ein hoch motivierter Mensch, den das Thema (z.B. Fachartikel, Stellenanzeige etc.) oder die Hintergründe (Thematik, ein bestimmter neuer Job) brennend interessieren, einen Text komplett und ggf. mehrmals interessiert liest und versteht (bzw. für sich verständlich macht), hört ein weniger interessierter Leser vielleicht schon nach wenigen Textpassagen auf zu lesen. Das Thema interessiert ihn nicht bzw. nicht wirklich. Er versteht den Text bzw. den Inhalt nicht. Er fühlt sich nicht persönlich angesprochen oder er empfindet bei einigen Begriffen oder Ausführungen derart negative Gefühle und Desinteresse, dass er aufhört, zu lesen oder das gelesene - selbst nach mehrmaligem Lesen - nicht versteht. Ggf. entstehen sogar negative Gefühle, die seinem Unterbewusstsein und einer dort schlummernden Problematik herrühren.

 

Der Totlese-Effekt steht in einem Zusammenhang mit unserem Unterbewusstsein und unserer Motivation. Dabei gilt folgendes Wirkungs-Prinzip: Je geringer die Motivation und das Interesse an einem Thema, desto schneller tritt der Effekt ein. Umgekehrt gilt dies entsprechend: Je höher die Motivation und das Interesse, desto langsamer tritt er ein, ggf. gar nicht.

 

Innovative tiefenpsychologische Personalauswahlkonzepte wie das "ib reality view & proof concept" machen sich u.a. genau diesen Effekt zunutze, um a) die Motivation eines Kandidaten für einen neuen Job allgemein, b) für eine konkrete berufliche Tätigkeit, c) für ein bestimmtes Thema zu messen und gleichzeitig, bestimmte Charaktereigenschaften und innere Probleme frühzeitig festzustellen.

 

Dabei geht es jedoch nicht nur um die Feststellung, sondern vielmehr die Selektion der Bewerber im Voraus. Von vorne herein unpassende bzw. unerwünschte Bewerber werden sich in der Regel gar nicht erst bewerben, weil sie a) die Stellenausschreibung nicht wahrnehmen und b) weil sie die Anzeige frühzeitig abschreckt. Bei denen, die tatsächlich lesen und weiterlesen, entscheidet sich dann, c) wie gut sie lesen, d) den Inhalt verstehen und e) auf den Inhalt konkret reagieren. Im Bewerbungsprozess wird dies bereits am Anfang deutlich und zwar vor dem weiteren Test-Prozedere bzw. einem etwaigen Vorstellungsgespräch. Eine eher gegenteilige Wirkung erzeugt das...  

 

Priming

Priming ist in gewisser Hinsicht auch eine Art der Reizüberflutung, nur dass sie im Hinblick auf die Intention derjenigen, die Priming nutzen bzw. einsetzen, zumeist positiv wirkt z.B. im Hinblick auf unsere Erinnerung und auf Kaufentscheidungen.

 

Beim Priming werden bestimmte Schemata (übergeordnete Wissensstrukturen durch vorausgehende Erfahrung / Denkprozess-Schema), die Einfluss auf die Informationsaufnahme und Entschlüsselung haben, im Gehirn aktiviert und durch dadurch bestimmte Informationen abgerufen bzw. durch unbewusste Wahrnehmung eines Reizes zugänglich gemacht. Die so aktivierte Information ist zu einem späteren Zeitpunkt leichter abrufbar und breitet sich auf verwandte, ähnliche  Informationen im Gedächtnis aus.

 

Priming erleichtert jedoch nicht immer die Verarbeitung eines Reizes. Wenn die zuletzt aktivierte Speichereinheit und der später folgende Reiz gegensätzlich sind, wird die Verarbeitungsgeschwindigkeit des neuen Reizes reduziert. Detail-Infos