Wissen: Psychopathie

Auf der einen Seite wird unter einer Psychopathie eine extrem schwere Form der antisozialen bzw. dissozialen Persönlichkeitsstörung (APS) verstanden, die mit einem weitgehenden oder völligen Fehlen von Empathie, sozialer Verantwortung und Gewissen sowie mit antisozialen Verhaltensweisen einhergeht.

 

Derartige "Psychopathen" sind auf den ersten Blick charmant und verstehen es, oberflächliche Beziehungen herzustellen, wobei sie sehr manipulativ sein können, um ihre Ziele zu erreichen.

 

Auf der anderen Seite spricht man aber auch im generellen Hinblick auf Persönlichkeitsstörungen (allgemein) von Psychopathologie und bei den persönlichkeitsgestörten Menschen von Psychopathen. Psychopathologie ist nämlich die allgemeine Lehre von den krankhaften Veränderungen des Seelenlebens und damit der Persönlichkeit.

 

Alle Psychopathen haben eines gemein: Sie weisen grenzwertige bis abnorme Charakterzüge, Wesensmerkmale und Eigenschaften auf, die zu Reaktionen und psychosozialer Konsequenzen für alle Beteiligten führen. Nachfolgend werden 5 Charakter-Merkmale genannt, die Psychopathen beschreiben:

 

1. Starrsinn

Starr, uneinsichtig, wenig flexibel, wenig angepasst, situationsunangemessen / situationsunangepasst gepasst, unbeeindruckt von realen Gegebenheiten und unbeeindruckt von den Konsequenzen konfliktträchtigen Handelns

 

2. Extrovertiertheit
Übertriebene Außenwahrnehmung, übertriebenes Verhalten nach außen,
Wahrnehmung und Verhalten der Umwelt zugewandt

 

3. Projektion
Eigene Probleme werden auf die Umwelt projiziert, eigene Gefühle, Wünsche, Begehrlichkeiten und Vorurteile
werden anderen unterstellt und fälschlicherweise als real angenommen (Realitätsverlust).

 

4. Tatsachenverdrehung

Andere werden für die Umstände eigener Probleme verantwortlich gemacht

 

5. Angriff

Innere Spannungen werden offen an anderen abreagiert, alternativ gibt es eine stille bzw. "stumme" Vorwurfshaltung

 

Nicht selten werden Psychopathen, die speziell der antisozialen bzw. dissozialen Persönlichkeitsstörung zugeordnet werden, kriminell. Es gibt aber auch eine große und bedeutende Gruppe hoch funktionaler und dabei sehr erfolgreicher Psychopathen, die in höheren Hierarchie-Stufen sogar überrepräsentiert werden (etwa sechsfach in Führungspositionen).

 

Nach Robert D. Hare, dem Begründer der Psychopathieforschung gehen viele Probleme in der Wirtschaft auf Menschen mit psychischen Problemen zurück, insbesondere auf Narzissten und Psychopathen. Neurobiologe Niels Birbaumer sagte „Sie sind nicht gewalttätig […] Der Schaden, den sie aber in unserer Gesellschaft anrichten, ist immens.“

 

Nach Psychopathieforscher Kevin Dutton können spezielle Berufsfelder mit sehr hohen Anteilen an Psychopathen festgestellt werden. Diese sind gemäß Dutton: Geschäftsleitung, Rechtspflege, Medien (Fernsehen/Radio), Vertrieb und Chirurgie. Die wenigsten Psychopathen findet man in Sozial- und Pflegeberufen, da diese Bereiche für Psychopathen eher unattraktiv sind. Sie sind zumeist mit geringer Macht verbunden und erfordern einen angemessenen Umgang mit Gefühlen. Festgestellt werden kann auch eine Neigung zu Berufen mit einem hohen Risiko. Psychopathen bevorzugen zudem große Organisationen und klare Hierarchien.

 

Nach Robert D. Hare, dem Begründer der Psychopathieforschung deuten Personalverantwortliche bzw. Personalentscheider psychopathische Verhaltensweisen wie z.B. Dominanz und Manipulation gern fälschlicherweise als typische Führungsqualitäten und werten dies positiv. Eine Prophylaxe besteht sowohl in der Schaffung psychopathensicherer motivatorischer Anreizsysteme als auch in der modernen psychologischen Personalauswahl nach dem reality view & proof concept.

 

Die positive bzw. relativierende Seite der Psychopathie
Mit der Feststellung einer abnormen Persönlichkeit oder Psychopathie verbindet die Gesellschaft eine Abwertung (Störenfriede, Soziopathen, Anethopathen, social parasitism, moral defective etc.) Der Begriff des Psychopathen ist sogar zu einem Schimpfwort geworden. Die Psychiatrie hat diesen Begriff jedoch immer völlig wertfrei vertreten.

 

Psychopathieforscher Kevin Dutton (Promovierter Psychologe und Research Fellow am Faraday Institute des St. Edmund´s College der Universität Cambridge und Lehrbeauftragter an der University of Western Australia in Perth) schreibt in seinem Buch "The Wisdom od Psychopaths" Menschen mit einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung sogar positive Eigenschaften zu. Auf jeden Fall räumt er mit Vorurteilen auf und gibt dem Thema eine neue Sichtweise.

 

"Natürlich sind Sie kein Psychopath. Vielleicht sind Sie eine Führungskraft oder ein sehr spiritueller Mensch. Sie haben Charme, Sie sind unerschrocken und risikofreudig, können harte Entscheidungen treffen. Sie sind sehr aufmerksam und können sich gut auf ein Ziel konzentrieren. Sie werden feststellen, dass das Eigenschaften sind, die Sie mit Psychopathen teilen. Selbstredend sind diese Eigenschaften nützlich, wenn man ein Serienmörder werden will. Aber auch im Gerichtssaal, in der Wirtschaft oder im OP. Oder im Leben eines Heiligen. Jede Medaille hat zwei Seiten. Psychopathen gelten landläufig als schwer gestörte Menschen. Zur Einschätzung von solchen Persönlichkeiten wird die Psychopathy Checklist, kurz PCL, eingesetzt. Wer mehr als 75 Prozent der Merkmale erfüllt, gilt als Psychopath. Es ist nicht überraschend, dass sich die größte Dichte an Psychopathen in den Hochsicherheitstrakten findet. Aber nicht nur Kriminelle, sondern sehr viele »normale« Menschen haben das eine oder andere Merkmal von dieser Liste. Und einige wirken keineswegs zerstörerisch, sondern dienen der Gesellschaft, indem sie besondere Aufgaben besonders gut erfüllen." (Kevin Dutton)

 

Gemäß der Sichtweise von Kevin Dutton kann man sich folglich fragen, was man von Menschen lernen kann, die psychopathische Eigenschaften besitzen, zumindest dann, wenn diese sie eben nicht zerstörerisch, sondern konstruktiv einsetzen. Eine überhohe Sensibilität hat in manchen Lebenslagen und beruflichen Tätigkeiten ebenso nützen wie narzisstische Züge. Man könnte sogar sagen: Ohne starke Ausprägung narzisstischer Züge kann ein Künstler, Schauspieler oder Politiker nicht wirklich extrem erfolgreich werden. Im Umkehrschluss fällt auf, dass sehr bekannte Persönlichkeiten in diesen Berufen sogar für entsprechende Charakter-Ausprägungen bekannt sind. Nur durch die starke Ausprägung psychopathischer Charaktereigenschaften konnten gewisse berühmte Persönlichkeiten durch ihr Wirken - ob positiv oder negativ bzw. mehr oder weniger erfolgreich - überhaupt erst berühmt werden.

 

Auch in der modernen Personalauswahl weiß man, dass sich bestimmte Persönlichkeitsstörungen positiv auf bestimmte Berufsausübungen auswirken können, während andere störend bis zerstörend sind. Nicht selten führt die unterlassene oder falsche Berücksichtigung von Persönlichkeitsstörungen bei der Eignungsdiagnostik zu gravierenden Schäden. Alternativ werden wertvolle Potenziale nicht gewinnbringend ausgeschöpft. Nur das ib reality view & proof concept macht Persönlichkeitsstörungen in der Eignungsdiagnostik sichtbar und berücksichtigt dies entsprechend zu Gunsten des Unternehmens, welches nach dem Konzept arbeitet. Das Konzept wurde über einen Zeitraum von 15 Jahren von Andreas Köhler unter Nutzung psycho- bzw. neurolinguistischer Grundlagen und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Persönlichkeits-, Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Sozialpsychologie und der modernen Neurowissenschaften entwickelt. Ausgangslage war eine bessere und sichere Eignungsdiagnostik für Sicherheitsberufe. Das frühere Konzept wurde jedoch weiterentwickelt und ist für alle Berufe und Positionen gleichermaßen anwendbar.

 

Wohlstands-Psychopathie / Wohlstands-Psychopathen

Bei der Gruppe der sogenannten Wohlstands-Psychopathen (auch Wohlstands-Soziopathen genannt) handelt es sich um eine kombinierte bzw. gemischte Persönlichkeitsstörung, deren Symptome verschiedene Merkmale aufweisen - und deren  Hintergründe nicht klar einer oder mehreren Persönlichkeitsstörungen zuzuordnen sind. Es treten Überschneidungen unterschiedlicher Störungen auf, die in sich geschlossen sehr massiv und geradewegs exzentrisch auftreten, was bei einigen sogar optisch ins Auge sticht, während andere hingegen eher unauffällig erscheinen. In Ergänzung der vorgenannten 5 Charakter-Merkmale klassischer Psychopathen kommen bei der Gruppe der sogenannten Wohlstands-Psychopathen noch weitere Charaktermerkmale hinzu...