Wissen: Anale Phase

Wissen Psychologie: Anale Phase nach Sigmund Freud und Berücksichtigung in der Psychotherapie bei psychovegetativen Störungen oder Angststörungen nach Andreas Köhler

Als anale Phase bezeichnet man in der Psychoanalyse das zweite und dritte Lebensjahr eines Kindes, bei dem das Ausscheidungsorgan und seine Entleerung libidinös besetzt sind.

Im Werk Sigmund Freuds nimmt der Begriff der Libido eine zentrale Stellung ein. Freud stellte die Libido den Selbsterhaltungstrieben (Ichtrieben) gegenüber und verstand Libido als sexuelle Triebenergie, die sich im Drängen und Begehren sowie in der Lust äußert.

 

In der Theorie Sigmund Freuds wird die anale Phase mit Geboten und Verboten der Eltern in Bezug auf die Zurückhaltung der Exkremente in Verbindung gebracht.

Durch dieses Zurückhalten oder Nicht-Zurückhalten kann ein Kind gegenüber seinen Eltern erstmals den eigenen Willen durchsetzen und beginnt dies auszutesten und letztendlich zu lernen. Denn Kinder sind ab dem 2. Lebensjahr in der Lage, die Entleerung ihres Darmes willentlich zu steuern, wobei Freud der Ansicht war, dass das Kind in diesem Alter den Darmausgang als wichtigste erogene Zone erlebt, schließlich entscheidet dessen Funktion mit dem eigenen Willen des Kindes über "Besitzen" (und Einhalten) sowie über Loslassen und "Herausgeben"), womit das Kind laut Freud erstmals die Fähigkeit der Kontrolle der Macht über die Eltern bekommt.

 

Sofern das Kind seine Macht genießt, keimen erste Gefühle des Sadismus auf, weshalb Freud diese Phase auch als anal-sadistische Phase bezeichnet.  Kinder gewinnen in dieser Phase Selbstvertrauen und wollen ihre Selbstständigkeit erproben bzw.  ihren eigenen Willen durchsetzen, wobei deren Freiheitsbedürfnis jedoch die Autorität ihrer Eltern gegenübersteht. Der Wunsch des Kindes nach Autonomie und Getrenntsein kollidiert in dieser Phase zusätzlich mit dem Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit.

 

Daraus entsteht ein innerer Konflikt, schließlich wird das Kind in diesem Lebensabschnitt erstmals bewusst mit seinen Stärken aber auch mit seinen Schwächen konfrontiert, wobei es natürlich immer wieder auch an seine Grenzen gelangt. Sprachlich bekommen die Begriffe "ich" und "mein" in dieser Phase eine besondere Bedeutung. Dahinter steht der Wunsch nach Abgrenzung. Daher ist eines der häufigsten Wörter, die das Kind in dieser Zeit gebraucht, das Wort "nein". Dieses Trotzphasen-Verhalten kann die Eltern oft zur Verzweiflung bringen.

 

Kommen wir nun vom Kind zum Erwachsenen: Nach der Theorie von Andreas Köhler sollten sich Psychotherapeuten, deren Klienten/Patienten mit Ängsten oder Zwängen oder Schuld- oder Schamgefühlen in Kombination mit psychovegetativen / psychosomatischen Symptomen bzw. Problemen rund um den Darm bzw. eine Stuhlgang-Problematik (z.B. Darmkrämpfe, entzündliche Darmerkrankungen, starke Häufigkeit des Stuhlgangs, Probleme bei der Darmentleerung oder Angst, in die Hose zu machen und sich zu blamieren) auch mit der analen Phase ihres Patienten/Klienten auseinandersetzen - und sich die Frage stellen, ob es ggf. Zusammenhänge gibt - oder ob in dieser Phase ggf. etwas vorgefallen ist (z.B. Trennung der Eltern oder andere Verluste). Auch sollte man schauen, ob es aktuell etwas gibt, was der Klient/Patient eben nicht mehr kontrollieren kann oder meint, nicht unter Kontrolle zu haben (z.B. die Nichterfüllung von Wünschen, das Nichtvorliegen von Nähe, die Verweigerung eines geliebten Menschen gegenüber dem Betroffenen).

 

Andreas Köhler geht davon aus, dass es hier Zusammenhänge geben könnte (zum Beispiel: Kontrollverlust, Angst vor Kontrollverlust. Denn wenn ein Erwachsener seine Wünsche, Bedürfnisse und Ziele erfüllt sehen will, es aber nicht schafft, seinen Willen durchzusetzen bzw. sein Ziel zu erreichen, kann es nach der Theorie von Andreas Köhler zu realen psychosomatischen oder eingebildeten Darm- bzw. Stuhlgang-Entleerungs-Problemen kommen, schließlich hat das Kind im Erwachsenen das Selbstvertrauen und die Entscheidung nach eigenen Willen im Heute nicht im Griff.

 

Köhler spricht hier von einer "psychovegetativen Simulation". Sofern dies nicht behandelt wird, können reale Darmprobleme chronisch werden oder in psychischer Hinsicht Ängst entstehen z.B. Angst den Stuhlgang nicht "kontrollieren" zu können. Nach der Theorie von Köhler liegt ein Kontrollverlust zugrunde. Dieser hat natürlich immer auch etwas mit den eigenen Ansprüchen und dem eigenen Selbstwert zu tun, was in einer Psychotherapie natürlich ebenso Berücksichtigung finden sollte.      

 

Beispiel für eine "Psychovegetative Simulation" nach Köhler:
Variante a): Trennung der Eltern des Patienten/Klienten während der analen Phase des Klienten/Patienten -  Kind "lernt" bzw. verküpft den Umgang mit dem Schließmuskel nicht nur mit Kontrolle, sondern auch in Kombination mit erlebtem "Kontrollverlust" - ggf. Trauma und Schuldgefühle,  aber nicht zwingend - Im Erwachsenenalter dann erneutes Trennungs-Erlebnis (alternativ Befürchtung einer Trennung, Angst vor Verlust). Alternativ könnte es sein, dass Bedürfnisse nicht erfüllt werden oder Gefühle bzw. die Liebe zu einem geliebten Menschen keine adäquate Erwiderung findet - Der "Kontrollverlust" wiederholt sich somit, was psychisch unerträglich ist und stark am Selbstwert kratzt. - Entstehen kognitiver Dissonanzen und / oder Schuldgefühle.

 

Es folgt das Wirkungsprinzip der kognitiven Dissonanzreduktion (z.B. Verdrängen oder Schönreden / selbstwertdienliche Verzerrungen zur krampfhaften Aufrechterhaltung des eigenen Selbstwertes) - Das Problem / Trauma wird zwar verdrängt und ggf. heruntergespielt, gärt aber in der Tiefe weiter -  Aufgrund des erfolgten "Outplacements" an ein Organ (z.B. Darm, Schließmuskel) resultieren daraus dann echte oder eingebildete Probleme in Bezug auf das betreffende Organ (z.B. Darmprobleme bzw. Probleme beim Stuhlgang). 

 

Variante b) ist erst einmal in groben Züge wie  a). Doch hier versucht das Kind im betroffenen Erwachsenen die verlorene Kontrolle über den Darm bzw. Anus stellvertretend für z.B. eine die eigenen Gefühle nicht erwidernde Person zurückzugewinnen. Die Aufmerksamkeit wird auf ein Organ gelenkt. Zur Ablenkung der Probleme des ICH´s wird nun das Organ verantwortlich (gemacht) und spiegelt nun die Problematik aus der Perspektive des Kindes, während der analen Phase. Kurzum: Wenn ich zum Beispiel einen geliebten Menschen nicht "unter Kontrolle" habe, mich dies sehr belastet und ich dies verdränge, kann es folglich sein, dass ich nun ggf. meinen Stuhlgang nicht unter Kontrolle habe oder dies zumindest meine oder mir einbilde.

 

Alternativ übernimmt z.B. der Magen (Übelkeit, Erbrechen) oder eben der Darm selbst diese Funktion (z.B. durch Durchfall oder Dauer-Blähungen etc.). Folgen: Angststörung, psycho-vegetative Störungen). Das Wichtigste ist hier die Bewusstmachung des möglichen Wirkungsprinzips, das sich natürlich individuell unterschiedlich gestaltet.