Der Begriff "Alienation" steht für Entfremdung. Ursprünglich stammt der Begriff von Hegel, wobei er die Diskrepanz zwischen Geistigem und der Wirklichkeit (Realität) umschreibt.
Was passiert bei der Alienation?
Es entsteht der Eindruck, dass die Umwelt oder gewisse Lebensumstände unverständlich geworden sind. Die Beziehung zur eigenen Person oder zu anderen Menschen geht verloren und erlaubt keine
gefühlsmäßige Einstellung.
Auch geistige Inhalte oder Leistungen können sich derart verändern, dass sie als etwas Fremdes erlebt werden. Was einem früher mal wichtig war, erscheint einem heute fremd. Womit man sich früher identifiziert hat, zweifelt man heute an.
Störung des Verhältnisses des Menschen zu seiner Umwelt
In der Sozialpsychologie wird Entfremdung als eine Störung des Verhältnisses des Menschen zum Mitmenschen bzw. zu seiner Arbeit beschrieben. Nach S. Freud (Psychoanalyse) versteht man unter Entfremdung einen Vorgang, bei dem unbewusst gewordene Inhalte (Unbewusstes), insbesondere die verdrängten (Verdrängung), eigene Mechanismen bilden und unter Umständen zur Ursache von Neurosen werden.
Entfremdung wird seit mehr als einem Jahrhundert innerhalb und außerhalb der Psychologie als Risikofaktor für die gesellschaftliche und psychische Gesundheit betrachtet. In den
Sozialwissenschaften spielt der Begriff Entfremdung auch bei Karl Marx (1818-1883) und im Anomiekonzept des französischen Soziologen Emile Durkheim (1858-1917) eine zentrale Rolle. Marx
unterscheidet vier Dimensionen von Entfremdung:
1) Entfremdung vom Produkt der Arbeitstätigkeit
2) Entfremdung von der eigenen Arbeitstätigkeit
3) Entfremdung von der Gesellschaft
4) Entfremdung des Menschen vom Mitmenschen
In der Psychologie fand der Entfremdungsbegriff Eingang in die sozialpsychologische sowie arbeits- und organisationspsychologische Forschung.
Entfremdung findet statt und wird z.B. beobachten in Bezug auf die Auswirkungen der Veränderungen in der Arbeitswelt z.B. durch Automatisierung, Computerisierung und Digitalisierung - ebenso in Bezug auf das Gefühl der Ohnmacht gegenüber Großorganisationen und Informationsmonopolen und in Bezug auf die Konfrontation mit - durch Politik, Werbung und Marketing) regelrecht aufgenötigten - gesellschaftlichen Trends und Bewegungen, die ein entfremdetes und zugleich entfremdendes Gesellschafts-, Sprach- und Menschenbild befördern.
Die Konfrontationen mit vielzähligen neuen Geschlechtern und Modeerscheinungen, die Konfrontation mit aufgenötigten neuen oder anderen Kulturen, gesellschaftlichen Regelwerken und Zwängen sowie die Um- und Neuinterpretation von Wörtern und Begrifflichkeiten (Neusprech) inklusive Überwachung und Nötigung durch selbstermächtigte Sprachpolizeien führt ebenso zu einer Entfremdung.
Manche Menschen fühlen sich mittlerweile "fremd im eigenen Land", "falsch" in ihrem Geschlecht und "dumm" in Bezug auf die aufgenötigte Abhängigkeit von digitalen Medien und Informationsmonopolen wie Google. Immer mehr Menschen fühlen sich fremdbestimmt.
Entfremdung kennt man auch in Familien und Paarbeziehungen: Die Entfremdung vom eigenen Partner, der sich komplett verändert hat (oder man selbst) - ebenso die Entfremdung von der eigenen Familie und / oder den eigenen Kindern, die einem plötzlich fremd erscheinen und mit denen man sich nicht mehr identifizieren kann.
Entfremdung bezieht sich auf ein entstehendes und zunehmendes Gefühl von immer mehr Distanz zu vielen Dingen des Lebens, zu anderen Menschen und zu ggf. zu sich selbst.
Was erst einmal negativ klingt und so erscheint, könnte man aber auch als einen Vorteil erachten - z.B. wenn man feststellt, dass man durch eine bestimmte Entwicklung mittlerweile über vielen Dingen steht, die für andere Menschen normal sind und anderen wichtig erscheinen.
Die Einsicht in die Unterschiede und die Anerkennung der eigenen andersdenkenden Persönlichkeit und der eigenen individuellen Einstellung im Vergleich zu den Neuerungen, die ggf. kognitive Dissonanzen und eine entsprechende Entfremdung auslösen, kann auch als Ansporn betrachtet werden, die Besonderheit des eigenen ICH´s in Relation zu einer tumben Masse an kollektivistisch orientierten konformistischen Mitläufern wertzuschätzen, die besagte Differenz zuzulassen, als positiv zu erachten und sogar bewusst zu zelebrieren, sich von einem unauthentischen, dem eigenen ICH nicht gemäßem fremdbestimmten Leben mit falschen Konventionen und falschen Werten selbstbewusst und souverän zu entfernen.
Das eigene Bewusstsein in Bezug auf das eigene ICH sowie die entfremdenden Dinge und Umstände spielt hier eine bedeutsame Rolle. Erfolgt der Entfremdungsprozess unbewusst, wird er nicht greifbar, sondern nur latent gefühlt, kann es zur Depersonalisation kommen. Die eigenen Handlungen werden dann wie die eines Fremden erlebt.
Depersonalisation / Derealisation
Depersonalisation bezeichnet einen Zustand der Entrücktheit, der bei gewissen seelischen Krankheiten auftritt, zum Beispiel bei beginnender Schizophrenie. Ein weiterer Begriff in dieser Hinsicht ist de »Derealisation«. Depersonalisation und Derealisation beschreiben Erlebnisweisen mit veränderter Wahrnehmung - entweder der eigenen Person oder der umgebenden Umwelt. Die lateinische Vorsilbe de- (= ent-) zeigt an, dass etwas verloren gegangen ist.
Depersonalisation tritt häufig in Kombination zusammen mit Derealisation auf. Da Depersonalisation und Derealisation in psychiatrischen Diagnosen zumeist unabhängig vom vorgenannten Zustand der Entfremdung beobachtet werden, da die sozialpsychologische Gesamtbetrachtung fehlt, kommt es hier häufig zu Fehldiagnosen.
In besonders schweren Fällen spricht man von einer Depersonalisationsstörung (depersonalisation disorder).
Gefühle können zum Beispiel sein:
im Rahme der Depersonalisation:
- Gefühl, „nicht richtig hier“ zu sein
- Gefühl, dass Empfindungen, Gefühle / Selbstgefühl fremd und nicht ihr eigen ist
- Gefühl, in einem Schauspiel mitzuspielen
im Rahmen der Derealisation:
- Gefühl der Unwirklichkeit
- Gefühl, dass die Umwelt, die Umgebung oder bestimmte Objekte fremd aussehen
- Empfinden der Umgebung als eine Art Bühne, auf der jedermann spielt
Mögliche weitere Symptome:
- Emotionale Taubheit
- Veränderung des Körpererlebens
- Entfremdung vom eigenen Spiegelbild oder von Fotos
- Entfremdung von der eigene Stimme
- Das Gefühl, „neben sich zu stehen“
- Wahrnehmung der Umwelt aus einer veränderten Perspektive
- Gefühl der Automaten- oder Roboterhaftigkeit
- Veränderung von Gedächtnisprozessen: Blasse, undeutlich oder fern erscheinende Erinnerungen
- Déjà-vu-Erlebnisse
- Gestörtes Zeitempfinden
- Erhöhte Selbstbeobachtung
- Gestörte auditive oder taktile Wahrnehmung
- Gestörtes Geschmacksempfinden
- Gefühl, dass etwas anders ist, als es vor dem Auftreten der Depersonalisationserlebnisse
- Angst, „verrückt zu werden“, oder Angst, von anderen „für verrückt gehalten zu werden“
Differenzierung
1. Depersonalisation:
Selbst wird als fremd und unwirklich empfunden
Hier kommt es zur Selbstentfremdung, bei dem es zum Verlust oder einer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsbewusstseins kommt. Im Gegensatz zur Entfremdung von der Umwelt (Derealisation), bei der
die Betroffenen manche Dinge, Menschen und Umstände als fremdartig erleben, erleben sich die Betroffenen hier SELBST als fremdartig oder unwirklich.
2. Derealisation:
Umwelt wird als fremd und unwirklich empfunden
Neben dem Gefühl, dass sich die Betroffenen SELBST als fremdartig oder unwirklich erleben, kann es aber auch sein, dass ein Gefühl der Unwirklichkeit gegenüber der Umwelt besteht. Dies wird als Derealisation bezeichnet. Hierbei werden Objekte, andere Personen, Menschen oder die gesamte Umgebung oder die ganze Welt als fremd, unvertraut, unwirklich, roboterhaft, fern, künstlich, leblos oder seelenlos erlebt.
Unterscheidung vom Wahn
Obwohl Betroffene eventuell auch ihre Umwelt verändert wahrnehmen, bleibt während der Depersonalisationserfahrung die Realitätsprüfung intakt. Die Betroffenen haben (in Abgrenzung zu psychotischen Störungen, wie z. B. der Schizophrenie) also keine Wahnvorstellungen. Sie schätzen ihre Umwelt richtig ein und haben Kontrolle über ihr Handeln. Die Einsicht, dass die Veränderungen nicht von außen durch andere Personen oder Kräfte eingegeben wurde, bleibt erhalten.
Unterscheidung von Spaltung / Abspaltung
Um schmerzhaften Ballast abzuwerfen, schieben wir zur Abwehr einer unerträglichen Vorstellungen vom eigenen Selbst (oder von Objekten) unangenehme oder schmerzliche Erfahrungen und / oder
Persönlichkeitsanteile im Sinne der Verdrängung ins seelische "Off". Es kommt zu deren Ausblendung und Abschiebung ins Unbewusstsein
Detail-Infos
Sekundäre Depersonalisationsphänomene
Depersonalisation kann als ein Symptom bei Schizophrenie vorkommen, ist allerdings von den sonstigen Formen der Depersonalisation abzugrenzen, da der Betroffene hier in der Regel keine Krankheitseinsicht hat. Sekundäre Depersonalisationsphänomene können in unterschiedlichem Ausmaß bei einer Vielzahl psychischer Störungen vorkommen:
- Dissoziative Identitätsstörung
- Borderline-Persönlichkeitsstörung
- Posttraumatische Belastungsstörung
- Angststörung
- Depression
- Zwangsstörung
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
- Schizoide Persönlichkeitsstörung
- Schizotypische Persönlichkeitsstörung
- Burnout-Syndrom