Selbstwirksamkeit & Selbstwirksamkeitserwartung (SWE)

 (self-efficacy beliefs / perceived self-efficacy)

Psychologisches Wissen zum Thema Selbstwirksamkeitserwartung (SWE). Kurzum: Glaube versetzt Berge

Für erfolgreiches Handeln und allein den Beginn von bestimmten Handlungen spielt das persönliche Selbstkonzept eines Menschen eine ebenso große Rolle wie ein ausbalanciertes Selbstwertgefühl.

 

Unter Selbstwirksamkeitserwartung versteht man in der Psychologie die subjektive Erwartung - ja Überzeugung - einer Person, angestrebte Ziele und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich zu bewältigen, Hindernisse zu überwinden und auch schwierige und belastende Situationen aus eigener Kraft erfolgreich meistern zu können.

 

Geprägt wurde der Begriff von dem Psychologen Albert Bandura (* 1925 - † 2021). Durch dessen Forschungen und Theorien zum sozialen Lernen beeinflusste er stark die Psychologie der 1980er Jahre. In zahlreichen Experimenten und Studien erforschte er, wie das menschliche Verhalten und Denken durch Lernen und selbstbezogene Überzeugung beeinflusst wird.

 

Bandura war der Überzeugung, dass menschliches Verhalten sich zum Positiven verändert, wenn Menschen sich subjektiv als selbstorganisierend, selbstreflexiv, selbstregulierend und proaktiv wahrnehmen. Eine wesentliche Erkenntnis Banduras war auch, dass Menschen zumeist  nur dann eine Handlung beginnen, wenn sie davon überzeugt sind, dass sie diese Handlung auch tatsächlich erfolgreich ausführen können.

 

Die Überzeugung, eine Handlung erfolgreich ausführen zu können, bezeichnete Bandura als Selbstwirksamkeits-Überzeugung. Bei dieser Selbstwirksamkeits-Überzeugung ist es unerheblich, ob die Person tatsächlich zur Ausführung der jeweiligen Handlung in der Lage ist oder nicht. Ohne die besagte Erwartung an die eigene Selbstwirksamkeit (Selbstwirksamkeitserwartung) würden die meisten Menschen erst gar nicht beginnen, etwas zu tun oder zu ändern. Erst der Glaube an sich selbst und die eigenen Möglichkeiten bringt sie dazu, mit etwas zu beginnen, angefangenes durchzuhalten, Hindernisse zu überwinden und Ziele zu erreichen. Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung gehen gelassener und zuversichtlicher mit Herausforderungen und schwierigen Situationen um.

 

Selbstwirksamkeit ist das zentrale Konstrukt in Banduras Social Cognitive Theory (SCT) und findet Anwendung in vielen Bereichen, z.B. in der Psychotherapie oder beim Sport. Die Erwartung an die eigene Selbstwirksamkeit ermöglicht, Leistungen abzurufen, zu steigern und Ziele zu erreichen. Menschen, die einen starken Glauben an sich selbst haben, sind zudem wirksamer darin, auch komplexe und schwierige Herausforderungen zu bewältigen.

 

Selbstwirksamkeit hängt nicht davon ab, was ein Mensch tatsächlich kann; vielmehr geht es um die subjektive Überzeugung des Menschen, sich bestimmte Dinge (ggf. auch etwas naiv) zuzutrauen und diese zu schaffen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass allein aufgrund des naiven Glaubens an ihre eigene Wirksamkeit Ziele tatsächlich erreicht und Probleme bewältigt werden.

 

Realistisch oder pessimistisch denkende Menschen mit einer niedrigen Selbstwirksamkeitserwartung erleben "normale" Probleme oft als persönliche Niederlagen und verharren in Selbstzweifeln, die dann in der Regel bestätigt werden. Menschen mit einer ausgeprägten Erwartung an die eigene Selbstwirksamkeit gehen mit Schwierigkeiten und negativen Erfahrungen hingegen deutlich konstruktiver um. Sie sind innerlich stärker und deshalb weniger von den Ansichten Dritter und pessimistischen eigenen Gedanken abhängig.

 

Das Konzept der Selbstwirksamkeit unterscheidet dabei verschiedene Faktoren der Wirksamkeit:

 

1.  Eine frühe positive Verarbeitung von selbstwirksamen Erfahrungen in der Kindheit und Jugend

2.  Das Erkennen und Nachahmen erfolgreicher Modelle von selbstwirksamen Menschen

3.  Die Ermutigung durch Vertrauenspersonen

4.  Das bewusste Umdeuten von hinderlichen Wahrnehmungen und deren Interpretation ins Positive und Anspornende

 

Selbstwirksamkeit lässt sich fördern durch durch eine positive optimistische Grundhaltung und eine Gedankenwelt mit dem naiven Glauben an die eigene Wirksamkeit. Seine Stärken zu kennen und sich diese bewusst machen, hilft ebenso wie die Relativierung und Umdeutung von Schwächen, de man ja schließlich auch als "Chance" sehen kann.

 

Das mentale Anknüpfen an frühere positive Wirkungen der eigenen Handlungen hilft ebenso dazu, die Selbstmotivation für (auch neue) Herausforderungen zu stärken. Insbesondere in krisenhaften Situationen hilft es, die eigenen Stärken und früher erreichte Lösungen, Ziele und Erfolge in Erinnerung zu rufen und etwaige Niederlagen und kritische Situationen zu relativierend zu erklären und sich bewusst zu machen, dass man diese Herausforderungen letztlich doch überstanden und bewältigt hat.

 

Hilfreich ist auch die Erhöhung des Selbstbewusstseins und selbstbewusstes Auftreten, das im Umkehrschluss wieder zu einem höheren Selbstbewusstsein führt. 

 

 

Glaube versetzt Berge
Der Glaube, bestimmte Ziele erreichen zu können, wirkt ähnlich wie die Selbsterfüllende Prophezeiung (Self-fulfilling-prophecy), die auch als Rosenthal Effekt bekannt ist.

 

Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) (perceived self-efficacy) (nach Albert Bandura) basiert auf dem Glauben, bestimmte Ziele erreichen zu können.

 

Der Effekt wirkt ähnlich wie die Selbsterfüllende Prophezeiung (Self-fulfilling-prophecy), die auch als Rosenthal Effekt, als Pygmalion-Effekt und als Versuchsleiter-Effekt (Versuchsleiter-Artefakt) bekannt ist.

 

Der Unterschied besteht darin, dass das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung im Gegensatz zu den vorgenannten Effekten auf der EIGENEN Erwartung an SICH SELBST (und der Erreichung seiner Ziele) basiert - und nicht auf der Erwartung anderer (z.B. Feedbackgeber, Eltern, Pädagogen, Lehrer, Versuchsleiter, Kritiker usw), weshalb man die andere Form der selbsterfüllenden Prophezeiung unter anderem ja schließlich auch als als Versuchsleiter-Effekt bezeichnet. Die Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) beschreibt allein die positiven Auswirkungen des Glaubens an sich selbst.

 

Der bekannte Spruch "Glaube versetzt Berge" ist nicht nur etwa eine leere Redewendung, sondern trifft zu: Ein Mensch, der fest daran glaubt, selbst etwas aus sich heraus zu bewirken und auch in schwierigen Situationen selbstbestimmend (statt fremdbestimmt) handeln zu können, hat eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung - und dadurch höhere Chancen, seine Ziele zu erreichen. Die Selbstwirksamkeitserwartung führt quasi dazu, dass sich die Erwartung erfüllt. In Bezug auf das Thema "Wahrnehmungsfehler" haben wir es folglich mit einem sogenannten Erwartungsfehler zu tun, der sich positiv auswirkt.

 

Allein die (ggf. sogar naive) Annahme, man könne selbst Einfluss auf alles nehmen (internaler locus-of-control), anstatt äußere Umstände und Umwelteinflüsse (Gesellschaft, Staat, Entscheider, Mitmenschen, Bezugspersonen, Glück und Zufall) dafür verantwortlich zu machen, löst enorme Kräfte und Energien aus, die sich in einem bestimmten Verhalten zeigen, welches sich in Richtung des jeweiligen Zieles bewegt und sich dabei durchaus durchsetzungsstark zeigt.

 

Der Effekt funktioniert auch, wenn die Kraft, Fähigkeiten und Kompetenzen in Wirklichkeit gar nicht vorhanden sind, es sich folglich nur um eine Illusion handelt.

 

Untersuchungen zeigen ganz klar, dass Menschen mit einem starken Glauben an die eigene Person (Kraft, Fähigkeiten, Kompetenzen) nachweislich mehr Erfolg haben. Diesen Erfolg erreichen sie u.a. durch a) ihre erwartungs- und glaubensbedingte Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben.

 

Parallel dazu besteht b) eine geringere Anfälligkeit für Ängste (z.B. Angststörungen), Hemmungen und Depressionen. Hinzu kommt c), dass eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung zu hohen Ansprüchen an die eigene Person führt. Daher besteht d) eine geringere Scheu vor anspruchsvollen, schwierigen Aufgaben; es werden sogar bevorzugt eben solche Herausforderungen gesucht.

 

Höher ist auch die Chance, diese Herausforderungen zu bewältigen und gute Leistungen zu erbringen. Gute Leistungen führen dann wieder zur Bestätigung und dadurch wieder zur Erhöhung der weiteren Selbstwirksamkeitserwartung. Durch die nunmehr erhöhte Selbstwirksamkeitserwartung wird dann noch mehr Leistung erfolgreich erbracht. Insofern wirkt ein Kreislauf, der zu Höchstleistungen führt (high performance cycle / Locke und Latham).

 

Eigene Erfolgserlebnisse (Performance Accomplishments) sind eine ebenso treibende Kraft wie mentale Stärke, fester (sogar durchaus naiver) Glaube, mentale und verbale Ermutigungen (Verbal Persuasion) und positive emotionale Erregung (Emotional Arousal).

 

Erfolg bei der Bewältigung schwieriger Aufgaben führt zur Stärkung und Festigung des Glaubens an sich und die eigenen Fähigkeiten. Daher traut man sich auch zukünftig vergleichbar schwierige Aufgaben und sogar noch schwierigere Aufgaben und Situationen zu. Man strebt sogar danach.

 

Das Gegenteil wären Zweifel an den eigenen Fähigkeiten und der eigenen Selbstbestimmung. Sie führen schneller zu Misserfolgen, die dann wiederum dazu führen, an sich selbst zu zweifeln und bestimmte Aufgaben und Situationen in Zukunft zu vermeiden.

 

Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung haben jedoch eine höhere Frustrationstoleranz. Daher werden einzelne Rückschläge weniger stark wahrgenommen und schwere Rückschläge, die ein Weitermachen behindern könnten, besser weggesteckt oder durch stellvertretende Erfahrungen (Vicarious Experience) relativiert. Während andere aufgeben, ziehen Menschen mit einem hohen Selbstwirksamkeitserwartungsfaktor Ermutigung und neue Kraft selbst durch bereits geringe Erfolge, die ggf. in keinerlei Zusammenhang mit dem eigentlich angestrebten Ziel-Erfolg stehen.

 

Hinzu kommt die Fähigkeit, sich an anderen Menschen, die erfolgreich agieren, eher ein Beispiel zu nehmen, als diese frustriert oder aus Neid abzulehnen oder gar zu meinen, dass man deren herausragende Leistung niemals erreichen kann.

 

Je größer die Ähnlichkeit zur diesen Vorbild-Personen, desto stärker wirkt die Beeinflussung durch das jeweilige Vorbild. Menschen, die andere, die besser sind, eher ablehnen und das Gefühl von Neid spüren, übertragen dies hingegen als Rückkopplung auf sich selbst. Neid ist ein negatives Gefühl und dieses negative Gefühl manifestiert sich im eigenen Handeln, welches dann auch eher negativ ausfallen wird (Rückkopplungs-Effekt). Daher der Spruch "Schlechte Gedanken gegenüber anderen kommen zurück".

 

Menschen, die positives Feedback und Aufmunterung erhalten (z.B. wenn ihnen positiv zugeredet wird) und von anderen Zutrauen erfahren, sind nicht nur motivierter und selbstwirksamer: Sie glauben mehr an sich und strengen sich zudem mehr an. Dies führt dazu, dass diese Menschen mehr anpacken und mehr machen und auch dazu, dass sie automatisch mehr leisten und allein über diese Mehrleistung höhere Chancen haben, Aufgaben erfolgreich zu bewältigen und Ziele zu erreichen.

 

Zweifel oder Abreden durch andere, bewirken eher das Gegenteil. Bei Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung können sie aber auch und insbesondere dazu führen, dass sie es den Menschen, die ihnen Leistungen, ihr Können, ihre Fähigkeiten und ihre Möglichkeiten absprechen, zeigen bzw. beweisen wollen.

 

Da Menschen im Schwerpunkt über Emotionen gesteuert werden, wirkt sich positive emotionale Erregung positiv auf die Bewältigung von Anforderungssituation aus, während negative emotionale Erregung (Gesichtsrötung, Zittern, Schwitzen, Schweißausbrüche, Herzklopfen, Frösteln oder Übelkeit), die mit Anspannung, Hemmung und Angst einhergeht, negativ auswirkt, allein schon, weil dies von anderen und/oder von einem selbst als Schwäche interpretiert wird und über Feedback und den psychosomatischen Rückkopplungs-Effekt Selbstzweifel entstehen, hinderlich sind.

 

Der Effekt der Selbstwirksamkeitserwartung ist - obgleich er ggf. bzw. zumeist auf einem Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler basiert, eigentlich ein sehr positiver Effekt. Er kann sich aber wie z.B. der Selbstwert-Effekt auch, ebenso negativ auswirken z.B. dann, wenn man im festen Glauben an die eigene richtige Entscheidung fälschlicherweise annimmt, dass diese Entscheidung immer richtig bzw. zutreffend ist.

 

Der Effekt führt dann nämlich auch dazu, dass z.B. eine falsche Entscheidung im Hinblick auf die Einschätzung und Beurteilung einer anderen Person (z.B. Personalentscheidung/Einstellungsentscheidung) nicht mehr revidierbar ist. Eine einmal eingestellte Führungskraft (oder ein einmal gewählter Politiker) kann dann nämlich relativ frei (auch fehlerhaft) - sogar zum Nachteil (des Unternehmens, des Staates, des Teams, der Gesellschaft) wirken, ohne dass dieser im Verlaufe seiner Wirkungszeit bzw. Amtszeit (z.B. durch den, der die Wirksamkeit seiner Selbst voraussetzt) ernsthaft in Frage gestellt würde. Will heißen: Einmal "drin" kann z.B. eine gestörte Persönlichkeit (z.B. ein Mensch mit einer negativistischen oder narzisstischen Persönlichkeit) frei walten und schalten, ohne dass dies wirklich (ernsthaft) auffällt.

 

Wie Untersuchungen ergeben haben, kann eine solche Persönlichkeit dann sogar Entscheidungen treffen, die den Ruin (bzw. den Untergang des betreffenden Unternehmens oder Staates) darstellen. Selbst dann, wenn kurz vor diesem vermeintlichen Ruin (bzw. der Zerstörung oder des Untergangs) es einigen (z.B. externen) Menschen doch auffällt, wird das Handeln (Verhalten) in den meisten Fällen ebenso wenig gestoppt wie die Entscheidung für den Ruin selbst kaum in Frage gestellt wird, da hier Effekte wie der Selbstwert-Effekt / Selbstwertdienliche Verzerrung und/oder der Effekt der kognitiven Dissonanz-Reduktion entscheidend mitwirken.

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